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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

Institut für Philosophie
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FAQ

Sektionsredner

Dr. Markus Wirtz (Köln) - Curriculum Vitae
Von der „Richtigkeit“ menschlicher Weltaufenthalte. Erwägungen zum Spannungsverhältnis zwischen universaler Wissenschaft und divergierenden kulturellen Lebenswelten

Abstract

Der geplante Vortrag greift eine Problematik auf, die sich dem phänomenologischen Zugriff auf den Zusammenhang von „Lebenswelt und Wissenschaft“ sowohl im Falle Husserls (1) als auch Heideggers (2) gestellt hat: Wie lässt sich die Einheit der ,Lebenswelt’ als unhintergehbarer Erfahrungshintergrund sämtlicher menschlicher Weltzugänge gegenüber der Einheit der objektivierenden Wissenschaft verteidigen? – Diese Fragestellung wird gerade vor dem Hintergrund einer verstärkten Beobachtung der kulturellen Situiertheit lebensweltlicher Phänomene und Strukturen virulent, denn die Einheit der – im Sinne Husserls gleichsam transzendental aufzufassenden – Lebenswelt scheint sich angesichts der nicht nur empirisch feststellbaren, sondern auch hermeneutisch uneinholbaren Divergenz unterschiedlicher kultureller Lebenswelten aufzulösen. Demgegenüber erheben die modernen objektivierenden Wissenschaften den Anspruch, mittels intersubjektiv überprüfbarer Verfahren der Erkenntnisgewinnung die Pluralität kultureller Einbettungen zu transzendieren. Den Wissenschaften käme innerhalb dieses konzeptuellen Rahmens also ein transkulturell-universaler Charakter zu, während die nur im Plural auftretenden Lebenswelten der Seite des Relativismus zugeschlagen werden müssten.

Doch lässt sich gegen die behauptete Universalität der Wissenschaft argumentativ ins Spiel bringen, dass Wissensformen stets nur relativ auf zugrunde liegende lebensweltliche Erfahrungshorizonte auftreten können (3). Spezifische kulturelle Lebenswelten generieren spezifische Formen des erworbenen und erwerbbaren Wissens, so wie umgekehrt das gesellschaftlich produzierte Wissen auf die Lebenswelten zurückwirkt, aus denen es jeweils hervorgegangen ist. So konnten auch die objektivierenden Wissenschaften nur aus einem lebensweltlichen Gesamtgefüge hervorgehen, das die Konstituierung ,objektiven’ Wissens inklusive seiner ideellen, institutionellen und organisatorischen Voraussetzungen erlaubte. Umgekehrt – und auf diesen Punkt hat sich besonders Heidegger in seiner Auseinandersetzung mit dem technischen Zeitalter des ,Ge-Stells’ konzentriert – hat das objektivierende Wissen in seinen technischen Konsequenzen die lebensweltliche Basis, aus der es ,ursprünglich’ hervorging, revolutioniert, so dass es berechtigt sein mag, hier von einem genuin dialektischen Verhältnis auszugehen.

Die Universalität der lebensweltlichen Erfahrungsgrundlage, auf der jegliche epistemische Setzung und Forschung basiert, ermöglicht es, mit Husserl die kulturell divergierenden Lebenswelten letztlich doch als einen einheitlichen Begriff der Lebenswelt zu konstituieren, der sowohl auf die apriorisch-transzendentale Voraussetzung von Wissenschaft überhaupt als auch auf den vorwissenschaftlichen Phänomenbereich abzielt. Innerhalb dieser Position fungiert also gerade die zwar in mannigfaltigen Kulturen differenzierte, aber als solche unhintergehbare Lebenswelt als universaler Leitbegriff, während epistemische Konzepte stets nur in Relation zu ihren lebensweltlichen Möglichkeitsbedingungen begriffen werden können.

Diese Sichtweise auf das Verhältnis von Lebenswelt und Wissenschaft, welche den transkulturellen Geltungsanspruch objektivierenden Wissens zugunsten der Universalität kultureller Lebensweltlichkeit relativiert, kann für sich in Anspruch nehmen, folgendes Dilemma aufzulösen, das sich aus der ersten Position ergibt: Betrachtet man die objektiven Wissenschaften aufgrund ihrer epistemischen Universalität als evaluative Instrumente für die Analyse und Bewertung lebensweltlicher Kontexte, so müsste es demzufolge ,richtige’ und ,falsche’ Lebenswelten geben können – ,richtige’, deren Struktur die Konstituierung objektiver Wissenschaft ermöglicht und ihre Ergebnisse bestätigt, und ,falsche‘, deren Struktur eben diese Konstitution erschwert oder verhindert. Von der zweiten Perspektive aus lässt sich dieses Bewertungsschema nicht aufrecht erhalten, insofern hier gerade die Richtigkeit bzw. Angemessenheit wissenschaftlicher Objektivität an den lebensweltlichen Hintergrund zurückgebunden wird, aus dem sie allererst hervorgeht und innerhalb dessen sie sich zu bewähren hat. Wissenschaftlichkeit wird damit zu einem phänomenologisch situierbaren Aspekt menschlichen Sich-Einrichtens in der Welt. Die Eruierung der prinzipiellen Möglichkeitsspielräume solcher Welteinrichtungsverhältnisse, in denen Menschen ihre Gerichtetheit-auf realisieren, wäre Aufgabe für eine interkulturelle Philosophie, der an einer universalistischen und gleichwohl hinreichend differenzierten Ausarbeitung des Lebensweltbegriffs gelegen ist.

Anm.:

(1) E. Husserl: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie. Husserliana VI. The Hague [u.a.] 1954

(2) M. Heidegger: Vorträge und Aufsätze. Stuttgart 1954

(3) G. Stenger: Philosophie der Interkulturalität. Erfahrung und Welten. Eine phänomenologische Studie. Freiburg/München 2006

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Curriculum Vitae von Dr. Markus Wirtz

Studium:
  • Bis 1999: Philosophie, Musikwissenschaft, Geschichte, Schulmusik (Köln (Universität & Hochschule für Musik)). Abschluss: Magister
Promotion:
  • 2004: "Geschichten des Nichts. Hegel, Nietzsche, Heidegger und das Problem der philosophischen Pluralität" (Köln)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Köln
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Deutsche und französische Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts
  • Interkulturelle Philosophie
  • Religionsphilosophie
Berufliche Stationen:
  • 2007 - heute: Studienrat
  • 2008 - heute: Wissenschaftliche Hilfskraft
Wichtigste Publikation(en):
  • Geschichten des Nichts. Hegel, Nietzsche, Heidegger und das Problem der philosophischen Pluralität
  • LICHT - Die szenische Musik von Karlheinz Stockhausen. Eine Einführung
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