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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Harald Andreas Wiltsche (Graz, A) - Curriculum Vitae
Entdeckung, Begründung und Lebenswelt

Abstract

Blickt man auf die Entwicklung der vergleichsweise jungen philosophischen Subdisziplin der Wissenschaftstheorie, dann stechen vor allem der Logische Empirismus und der Kritische Rationalismus als jene Positionen hervor, die das Gesicht der wissenschaftstheoretischen Debatte stärker als jede andere philosophische Strömung geprägt haben. Bemerkenswert ist, dass beide Philosophien aller Differenzen zum Trotz eine grundlegende Unterscheidung teilen, die bis in die Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts zum Standardrepertoire der wissenschaftstheoretischen Diskussion gehörte und die bis zum heutigen Tage Gegenstand zahlloser Auseinandersetzungen ist: Gemeint ist die Unterscheidung zwischen einem Entdeckungszusammenhang (context of discovery) und einem Begründungszusammenhang (context of justification).

Der Grundgedanke, der hinter dieser Unterscheidung steht, ist überaus einsichtig: Wer nicht zwischen einem Entdeckungs- und einem Begründungszusammenhang unterscheidet, läuft Gefahr, deskriptive Aspekte der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung mit normativen zu vermengen. Der Umstand etwa, dass August Kekulé die ringförmige Struktur von Benzol im Traum zugefallen ist, gibt zwar eine schöne Anekdote ab, er hat jedoch nichts damit zu tun, dass wir die Ringförmigkeit von Benzol auch heute noch als eine hinreichend begründete wissenschaftliche Entdeckung betrachten. Mit der Einführung der angesprochenen Unterscheidung ist also die für die traditionelle Wissenschaftstheorie konstitutive Überzeugung verbunden, dass wir nur dann, wenn wir zwischen Entdeckungs- und Begründungszusammenhang säuberlich trennen und uns bei der rationalen Rekonstruktion der Wissenschaften auf den letzteren Kontext beschränken, zu einem angemessenen philosophischen Verständnis der Wissenschaften gelangen.

Diese Standardsichtweise ist spätestens seit den Arbeiten von Thomas Kuhn oder Paul Feyerabend unter Beschuss geraten: Es stellt – um die Grundlinie der entsprechenden Kritiken zu skizzieren – eine inadäquate Simplifizierung der tatsächlichen Umstände dar, wenn hinsichtlich der faktisch stattfindenden Wissensproduktion eine subjektive Sphäre der Entdeckung (also etwa der Hypothesengewinnung, der konkreten Laborarbeit, der historischen und sozialen Kontexte von Theorien etc.) und eine objektive Sphäre der Begründung unterschieden und darüber hinaus behauptet wird, dass die erstere Sphäre bestenfalls zweitrangig ist, wenn es um ein angemessenes Verständnis der Wissenschaften geht. Selbst die vermeintlich objektive Begründungssphäre ist – so die KritikerInnen – von dem, was gemäß der Standardauffassung zum Entdeckungszusammenhang degradiert wurde, nicht abzulösen. Die Diskussion hat sich deshalb weniger um eine etwaige Vorrangigkeit des Begründungszusammenhangs zu drehen, sondern eher darum, ob es so etwas wie einen „reinen“ Begründungszusammenhang überhaupt gibt. Dies wird von besonders radikalen KritikerInnen mit dem Hinweis bestritten, dass sich die Wissenschaften bei vorurteilsloser Analyse lediglich als eine „große Erzählung“ unter anderen entpuppt.

Führt man sich angesichts dieser Ausgangslage die These von der prinzipiellen wissenschaftstheoretischen Relevanz des Lebensweltbegriffs vor Augen, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass diese These die soeben angedeutete Kritik an der Standardauffassung unterstützt: Gemeinhin wird die Lebensweltthese so verstanden, dass eine strikte Trennung zwischen natürlicher Erfahrungswelt und der Welt objektiv-wissenschaftlicher Gegenstände nicht aufrecht erhalten werden kann. Dies scheint der Unterscheidung zwischen Entdeckungs- und Begründungszusammenhang eindeutig entgegenzulaufen, weshalb die Lebensweltthese gelegentlich in den Dienst von Argumentationen gestellt wird, die für eine Aufgabe der in Frage stehenden Unterscheidung votieren.

Ziel meines Vortrags ist es, nach den tatsächlichen Konsequenzen zu fragen, die die Akzeptanz einer (im weitesten Sinne phänomenologisch verstandenen) Lebensweltthese für die Unterscheidung zwischen Entdeckungs- und Begründungszusammenhang mit sich bringt. Ich werde dafür argumentieren, dass die Lebensweltthese zwar zu einer Reformulierung der traditionellen Sichtweise zwingt, dass es aber nicht angehen kann, die Unterscheidung zwischen Entdeckungs- und Begründungszusammenhang in jeder Hinsicht zu verabschieden. Im Anschluss an einen jüngst vorgelegten Diskussionsbeitrag von Paul Hoyningen-Huene (1) werde ich schließlich eine Interpretation der in Frage stehenden Unterscheidung vorlegen, die (a) die verteidigungswürdigen Intentionen des Logischen Empirismus und des Kritischen Rationalismus bewahrt, die (b) den konstruktiven Kritiken der neueren Debatte Rechnung trägt und die (c) mit dem Lebensweltbegriff verträglich ist.

(1) Hoyningen-Huene, Paul: „Context of Discovery Versus Context of Justification and Thomas Kuhn“, in: Schickore, Jutta / Steinle, Friedrich (Hg.): Revisiting Discovery and Justification, Dordrecht 2006, 119-131

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Curriculum Vitae von Dr. Harald Andreas Wiltsche

Studium:
  • Bis 2008: Philosophie (Graz). Abschluss: Doktor
Promotion:
  • 2008: Dissertationsthema: Transzendentalphänomenologie und Wissenschaftsphilosophie; Prüfungsfächer: Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie (Graz)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Graz
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Wissenschaftsphilosophie (v.a. der Geistes- und Sozialwissenschaften)
  • Phänomenologie (v.a. E. Husserl)
  • Neuere Philosophiegeschichte (19.-21. Jahrhundert; v.a. analytische Philosophie)
Berufliche Stationen:
  • 2006 - 2008: wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • 2005 - *: Lehrbeauftragter
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