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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Niels Weidtmann (Tübingen) - Curriculum Vitae
Wissenschaft und Lebenswelt im interkulturellen Dialog

Abstract

Wie steht die Vielfalt der Kulturen zur Universalität von Wissenschaft? Ist Wissenschaft kulturübergreifend gültig, taugt sie vielleicht gar zur Grundlage interkultureller Verständigung? Tatsächlich scheint sie jedenfalls eine der treibenden Kräfte fortschreitender Globalisierung zu sein. Freilich, so soll in diesem Beitrag zu zeigen versucht werden, hat Wissenschaft selber einen kulturellen Ursprung und unterliegt historischem Wandel ebenso wie interkultureller Kritik.

Wissenschaft wird in der Neuzeit aus der Erfahrung heraus neu geboren, dass die Welt einen Funktionszusammenhang darstellt, der menschlicher Erkenntnis prinzipiell offen steht. Alles Wissen gründet im Universalwissen. Wissenschaft arbeitet daher notwendig mit einem Universalanspruch; ihre Erkenntnisse können vorläufig sein, richtig können sie nur sein, wenn sie universal gültig sind. Die Wissenschaften arbeiten auf dieser Ebene grundsätzlich a-historisch, kulturelle Zusammenhänge kommen zwar faktisch vor, werden aber nicht in ihrer geschichtlichen Wirklichkeit erfasst.

Es ist das Verdienst Husserls, an die scheinbare Selbstverständlichkeit erinnert zu haben, dass alle Wissenschaft von der Lebenswelt ausgeht. Sie setzt die Lebenswelt nicht nur als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung immer schon voraus, sondern hat in ihr zugleich ihren Referenzpunkt, also den Boden, auf dem der Wissenschaftler selber steht. Wissenschaft muss den Gegenstand ihrer Untersuchung deshalb künstlich aus der Lebenswelt herauslösen, um ihn so „vor sich“ stellen und dadurch objektivieren zu können. Das heißt freilich auch, dass die objektivierenden Wissenschaften niemals die Lebenswelt selber erkennen können. Husserl fordert deshalb „eine ganz neue Wissenschaft“ und findet sie bekanntlich in seinem Ansatz der Phänomenologie. Sein Konzept einer geschichtlich konstituierten Lebenswelt eröffnet Wissenschaft nun auch neue methodische Zugänge zur Erforschung geschichtlicher Wirklichkeit, die freilich erst später, vor allem durch Gadamer in voller Klarheit herausgearbeitet wurden. Um Überlieferungen verstehen zu können, müssen die Horizonte, vor deren Hintergrund sie entstanden sind, aufgedeckt werden. Auf dieser Ebene von Wissenschaft tauchen Kulturen als verschiedene geschichtlich konstituierte Lebenswelten auf. Kulturelle Phänomene entziehen sich deshalb faktischer Erklärung, sie verweisen auf jeweilige Sinnzusammenhänge, die in einem hermeneutischen Zirkel verstanden werden wollen. Freilich setzt das Verstehen von Horizonten ein umgreifendes Ganzes voraus, das – obgleich selbst nicht offensichtlich – doch transzendentale Bedingung allen Verstehens bleibt. Dieses Ganze ist die Welt. Die Möglichkeit, fremde Kulturen zu verstehen, setzt das Vorurteil einer gemeinsamen Welt immer schon voraus. Nur auf der Basis dieses Vorurteils können andere Kulturen auch überhaupt als fremd, ja ganz allgemein als anders erscheinen.

Nun erweisen sich solche Zuschreibungen in der Begegnung der Kulturen allerdings immer wieder als unzutreffend. Die Kulturen verwehren sich in zunehmendem Maße gegen jedes vereinnahmende Vorurteil. Kulturen sind zunächst einmal gerade nicht fremd und anders, sondern der Boden, auf dessen Grundlage die Unterscheidungen eigen/fremd und gleich/anders überhaupt erst Sinn machen. Tatsächlich erfährt sich eine Kultur gerade darin als sie selbst, dass sie in der historischen Entwicklung immer wieder in Differenz zu sich tritt, um sich darin geklärter zu gewinnen. In diesem Prozess erweitert sie sich nicht, sie geht nicht über sich hinaus, eher hört sie in sich hinein und geht aus sich selbst hervor. Welthaft ist sie dadurch, dass sie sich in dem ihr Fremden und Anderen selber findet. Welt ist also nicht der äußere, umgreifende Sinnhorizont, auf den die verschiedenen Lebenswelten in ihrer historischen Entwicklung zustreben. Welt ist die Erfahrung des aus sich selbst heraus und in sich selber hinein Aufgehens jeder einzelnen konkreten historischen Lebenswelt.

Der Universalaspekt von Welt und der Partikularaspekt von konkreter Lebenswelt verdanken sich dem gleichen Aufgangsgeschehen. Das hat auf doppelte Weise Auswirkungen auf die Wissenschaften: Zum einen entziehen sich Kulturen auf dieser Ebene dem äußeren Zugriff durch die Wissenschaften grundsätzlich. Alle Wissenschaft ist notwendig perspektivisch, und das heißt auch kulturell historisch verortet. Zum anderen wird klar, dass in der Perspektivität jeder einzelnen Wissenschaft nicht nur dies und das auftaucht, sondern immer schon Welt – es gibt nichts, das nicht welthaft wäre. Das Verhältnis der Wissenschaften untereinander ist dann weder ein bloßes Nebeneinander noch ist es ein Begründungsverhältnis. Vielmehr beschreibt jede Wissenschaft Welt auf bestimmte Weise. Der Dialog zwischen kulturellen Welten freilich erfordert eine gänzlich neue Wissenschaft, eine Philosophie der Interkulturalität.

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Curriculum Vitae von Dr. Niels Weidtmann

Studium:
  • Bis 1993: Philosophie, Biologie (Würzburg, Duke (USA)). Abschluss: Diplom
Promotion:
  • 1999: Der Weltcharakter der Kulturen in der interkulturellen Welt (Würzburg)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Tübingen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Interkulturelle Philosophie
  • Phänomenologische Philosophie
  • Wissenschaftsphilosophie
Berufliche Stationen:
  • 12/1998 - 03/2006: Studienstiftung d. dt. Volkes
  • 05/2002 - 06/2004: Bundespräsidialamt
  • 04/2006 - heute: Universität Tübingen
Wichtigste Publikation(en):
  • N. Weidtmann, Tijd en taal in traditionele Afrikaanse culturen. In: H. Kimmerle (Hg.), Wijsgerig perspectief. Vol. 44 (4). Boom 2004, S. 23-33.
  • N. Weidtmann, Postkoloniale Identitätssuche. Die innerkulturellen Krisen und der interkulturelle Dialog. In: C. Hamann und C. Sieber (Hg.), Zur Aktualität des Postkolonialen. Hildesheim 2002, S. 109-124.
  • N. Weidtmann, Der gemeinsame Weg der Kulturen zu größerer Wahrheit. Eine Einführung in das Denken von Kwasi Wiredu. In: Polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren. Vol. 2. Wien 1998, S. 6-11.
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