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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Gottfried Vosgerau (Bochum) - Curriculum Vitae
Wahrheit, Bedeutung und mentale Repräsentationen

Abstract

Davidson (1967) argumentiert, dass jede erfolgreiche Bedeutungstheorie eine Theorie sein muss, die einzelnen Sätzen Wahrheitsbedingungen zuordnet. Dieser in der Sprachphilosophie extrem weit verbreiteten Sicht liegt die Annahme zu Grunde, dass die primäre Funktion von Sprache die Übermittlung von Fakten über die Welt sei. Diese Annahme ist, wie ich zeigen werde, allerdings falsch: Wir benutzen natürliche Sprache in erster Linie um anderen mitzuteilen, was wir denken. Die primäre Funktion von Sprache ist daher, (objektiv nicht direkt zugängliche) mentale Repräsentationen direkt objektiv wahrnehmbar zu machen. Diese Verfügbarmachung von mentalen Repräsentationen ist eine Voraussetzung für Kooperation (sowie für Betrug), welche für unseren evolutionären Erfolg eine zentrale Rolle spielen (Tomasello et al. 2005). Ein natürlichsprachlicher Ausdruck ist daher adäquat, wenn der Hörer dem Sprecher genau den mentalen Zustand zuschreibt, den der Sprecher hat und ausdrückt. Dabei ist es zweitrangig, ob der betreffende mentale Zustand wahr oder falsch ist, mithin, welches die Wahrheitsbedingungen des Satzes sind.

Die „Bedeutungen“ von Sätzen sind also nicht Weltzustände, sondern mentale Zustände. Einen Satz verstehen heißt nicht „wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist“ (Wittgenstein, Tractatus 4.024), sondern wissen, was der andere denkt. Da wir das Verhalten Anderer mit Hilfe von mentalen Repräsentationen erklären und vorhersagen (das ist genau der Grund, warum wir überhaupt von ihnen reden), ist das Verstehen eines Satzes letztendlich gleichzusetzen mit Wissen über das Verhalten des Anderen. Das Interessante und primär Wichtige bei Sätzen ist daher nicht, ob sie wahr oder falsch sind, sondern dass sie uns die Möglichkeit geben, das Verhalten von Anderen vorherzusagen.

Bedeutung (verstanden als Bedeutung von Komponenten der Sprache, z.B. Wörtern) ist also keine Relation zwischen den Sprachkomponenten und Gegenständen der Welt, sondern eine Beziehung zwischen Sprachkomponenten und Komponenten von mentalen Repräsentationen. Sprache ist ein Codierungs-System für mentale Repräsentation, oder, aus der Sicht des Hörers: sprachliche Äußerungen sind Anleitungen zum Aufbau von mentalen Repräsentationen.

Trotzdem dominiert die Intuition, dass sich Wörter auf Gegenstände (oder Klassen von Gegenständen) beziehen, die Sprachphilosophie seit ihren Anfängen. Woher kommt diese Intuition? Natürlich haben mentale Repräsentationen etwas zu tun mit Gegenständen: sie repräsentieren sie (obwohl sie sehr viel mehr repräsentieren können, scheint dies ihre primäre Funktion zu sein). Da Sätze mentale Repräsentationen kodieren, und mentale Repräsentationen für Gegenstände stehen, entsteht die Intuition, dass Wörter für Gegenstände stehen. Putnam (1988) argumentiert, dass eine „lingua mentis“ niemals die Vermittlerrolle zwischen Sprache und Welt spielen könnte, da mentale Repräsentationen die dafür notwendigen Bedingungen nicht erfüllen können. Hierbei macht Putnam allerdings die (weithin geteilte) falsche Annahme, dass Wörter in jeder Sprechsituation auf dieselben bestimmten Gegenstände verweisen. Um sein Beispiel zu nehmen: „Rotkehlchen“ verweist generell auf eine bestimmte Vogelart; wenn ich aber sage: „Das Rotkehlchen dort drüben ist frecher als die Spatzen“, dann bezieht sich das Wort auf einen bestimmten Vogel unabhängig davon, ob dieser Vogel wirklich ein Rotkehlchen ist oder nicht (die Angabe „Rotkehlchen“ muss nur gut genug sein, d.h. der Vogel einem Rotkehlchen ähnlich genug sein, damit der Hörer dieselbe Referenz herstellen kann wie ich). Die Referenz (das Herausgreifen von Bezugsobjekten) ist nichts, was Wörter leisten, sondern es ist eine Leistung von Sprecher und Hörer, die sie vermittels mentaler Repräsentationen leisten.

Die Referenz, die mit Hilfe von mentalen Repräsentationen hergestellt wird, ist allerdings nicht – wie Putnam unterstellt – eine „direkte“ Bezugnahme der Komponenten der Repräsentationen die sich aus den Komponenten allein erklären ließe. Die Frage, wie genau diese Referenzen zustande kommen, ist ein psychologische Frage. Die Gesetze der Referenz (Bezugnahme) sind keine linguistischen (semantischen) Gesetze, sondern psychologische Gesetze. Die Sprache gibt uns nur Anleitungen zum Aufbau von mentalen Repräsentationen, aber wie die mentalen Repräsentationen sich auf die Welt beziehen ist nicht bestimmt durch die verwendeten Wörter sondern durch die Struktur der mentalen Repräsentation, die beteiligten Komponenten, die Hintergrundannahmen, das „Weltwissen“, sowie den Kontext (die realen Sprechsituation und/oder das gemeinsam aufgebaute Diskurs-Modell).

Die Erklärung von Referenz von Wörtern muss daher in zwei Schritten erfolgen: einem linguistischen Schritt, der die konventionelle Relation zwischen Komponenten der Sprache und Komponenten der mentalen Repräsentationen erklärt, und einem psychologischen Schritt, der die Relation zwischen mentalen Repräsentationen und den Gegenständen in der Welt erklärt.

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Curriculum Vitae von Dr. Gottfried Vosgerau

Promotion:
  • 2007: Mental Representation and Self-Consciousness (Ruhr-Uni-Bochum)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Ruhr-Uni-Bochum
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Philosophie des Geistes
  • Sprachphilosophie
  • Philosophie der Kognition
Berufliche Stationen:
  • wiss. Mitarbeiter
Wichtigste Publikation(en):
  • Vosgerau, G. & Newen, A. (2007), "Thoughts, Motor Actions, and the Self", Mind & Language 22(1), 22-43.
  • Vosgerau, G. (2007), "Conceptuality in Spatial Representation", Philosophical Psychology 20, 349-365.
  • Newen, A. & Vosgerau, G. (eds.): Selbstwissen, privilegierter Zugang und die Autorität der ersten Person. mentis, Paderborn. 2005
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