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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Priv.-Doz. Dr. Temilo van Zantwijk (Jena) - Curriculum Vitae
Beispiel, Induktion, Projektion

Abstract

Die klassische Rhetorik definiert das Beispiel (paradeigma) als eine rhetorische Induktion (rhetorike epagoge). Obwohl das Beispiel dabei mit einer Schlussform verglichen wird, ist alles andere als klar, was uns die Rhetorik über den argumentativen Gebrauch von Beispielen lehren kann. Die einzige argumentative Rolle von Beispielen scheint zu sein, dass sie als Gegenbeispiele allgemeine Aussagen widerlegen können. Die klassische Rhetorik vergleicht das Beispiel hingegen mit einer Generalisierung. Der Schluss vom Besonderen aufs Allgemeine ist gewöhnlich bekanntlich ungültig. Warum sollte also die Angabe eines Beispiels überhaupt als Argument anzusehen sein?

So naheliegend diese Argumentation sein mag, sie unterschätzt das Spektrum möglicher Argumentationsformen und damit das Potential der Rhetorik als Argumentationstheorie wesentlich. Die Intuition, der Aristoteles, Cicero und Quintilian gefolgt sind, als sie das Beispiel mit der Induktion verglichen haben, hat ihr gutes Recht, sie scheitert nur am begrenzten Begriff der Induktion, die sie ausschließlich als Schluss vom Besonderen aufs Allgemeine auffassen. Erst Hume hat das moderne Problem der Induktion als das Problem der Rechtfertigung tatsachenbasierten Schließens (Schluss von einer Tatsache auf eine oder mehrere andere) bestimmt. Humes Problem besagt, dass es keine logisch zwingende Verknüpfung von Tatsachen gibt. Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit tatsachenbasierten Schließens, d. h. der Induktion. Auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung führt nach Hume nicht zu einer Lösung seines Problems. Der Begriff der mathematischen Wahrscheinlichkeit setzt bereits voraus, dass Vergangenheit und Zukunft einander gleichen und ist damit ungeeignet, diese Ähnlichkeit zu begründen. Weil die Schottische Rhetorik die elocutio-lehre und nicht Fragen der Argumentationstheorie in den Mittelpunkt der Rhetorik stellt, bedenkt Hume die Möglichkeit einer Anwendung der Rhetorik auf das Induktionsproblem nicht mit.

Anders George Campbell, der die Formen rhetorischer Argumentation (Enthymem und Bei-spiel) überhaupt als tatsachenbasiertes, d. i. induktives Schließen auffasst. Gegenüber Hume ist damit das Verhältnis von Wahrscheinlichkeit und Induktion zu revidieren. Denn wenn es tatsachenbasiertes Schließen gibt, müssen sich plausible von unplausiblen Formen dieser Schlüsse unterscheiden lassen. Selbst wenn die Zustimmung zur Konklusion dabei prinzipiell nur unter Vorbehalt erteilt wird, müssen Kriterien zur Verfügung stehen, nach denen entscheidbar ist, wann überhaupt Zustimmung erfolgen darf und in welchem Maße sie mit einem Vorbehalt zu belegen ist. Fassen wir den Sinn von ‚p ist wahrscheinlich‘ allgemein auf als ‚p darf unter Vorbehalt zugestimmt werden‘, so ist noch einmal zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen ein Entscheidungsverfahren verfügbar ist, weil die Wahrscheinlichkeit eines Satzes quantitativ ausgedrückt werden kann, und den Fällen, in denen die Wahrscheinlichkeit auf rhetorisch erzeugter Evidenz basiert. Cambells Abgrenzung der mathematischen von den rhetorischen Wahrscheinlichkeitsschlüssen trägt diesem Unterscheidungsbedarf Rechnung.

Insgesamt ist festzustellen, dass der Vergleich des Beispiels mit der Induktion in der klassi-schen Rhetorik ihr gutes Recht hat. Die These erweist sich eher als zu schwach: Nicht nur die Beispiele, auch die Enthymeme sind als tatsachenbasierte Schlüsse Induktionen im modernen Sinne.

Was leisten aber Beispiele? Für Quintilian ist das Beispiel als Beweismittel „die Erwähnung eines zur Überzeugung von dem, worauf es dir ankommt, nützlichen, wirklichen oder angeblich wirklichen Vorganges“. Damit ein Beispiel ein Beweismittel ist, ist also erforderlich, dass es 1. eine Tatsache repräsentiert, die 2. in einer nachvollziehbaren Weise das Beweisziel stützt. Das Beweisziel ist in der Regel eine hypothetische allgemeine Tatsachenbehauptung wie: ‚Angriffskriege enden mit dem Verderben des Aggressors‘. Ein Beispiel kann eine solche Behauptung in hohem Maße plausibel machen, wenn es stellvertretend für viele andere steht, etwa wenn es vor Augen führt, dass sogar ein übermächtiger Aggressor in tiefes Verderben gestürzt wurde. Mit N. Goodman können wir sagen, dass das Beispiel in diesem Fall eine gute ‚Verankerung‘ des Prädikats ‚ins Verderben führen‘ in Bezug auf Angriffskriege aufweist, welche es erlaubt, die gewünschte Hypothese ‚fortzusetzen‘. Eine solche Fortsetzung ist eine Projektion. Abschließend können wir demnach die Unterscheidung zwischen Enthymem und Beispiel dadurch rechtfertigen, dass wir das Enthymem als Ableitung einer Tatsache aus einer Hypothese, (qualifizierte) Beispiele hingegen als Projektionen auffassen, die die Fortsetzung einer Hypothese legitimieren können.

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Curriculum Vitae von Priv.-Doz. Dr. Temilo van Zantwijk

Studium:
  • Bis 1989: Philosophie, Germanistik (Utrecht, Essen). Abschluss: MA
Promotion:
  • 1998: Pan-Personalismus. Schellings transzendentale Hermeneutik der menschlichen Freiheit (Essen)
Habilitation:
  • 2008: Heuristik und Wahrscheinlichkeit in der logischen Methodenlehre (Jena)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Jena
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie
  • Deutscher Idealismus
  • Philosophische Anthropologie, Psychologie
Berufliche Stationen:
  • 1994 - 1997: Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung
  • 1998 - 2004: Wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • 2004 - --: Wissenschaftlicher Assistent
Wichtigste Publikation(en):
  • Heuristik und Wahrscheinlichkeit in der logischen Methodenlehre (in Vorbereitung)
  • Art. Wahrscheinlichkeit, Wahrheit (Hist. Wörterbuch der Rhetorik)
  • Wissenschaftliche Anthropologie um 1800? (Hg. mit K. Regenspurger)
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