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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Raphael van Riel (Hildesheim)
Theory-Theory, Simulation Theory und der Ansatz der direkten Wahrnehmung

Abstract

Diejenigen Wahrnehmungstheorien, die sich mit der Wahrnehmung von Intentionalität und Emotionen Anderer beschäftigen, lassen sich grob in zwei Lager unterteilen. Zum einen gibt es da die Cartesianischen Kognitivisten. Diese behaupten, dass wir, um derartige Eigenschaften wahrnehmen zu können, bewusste Prozesse starten müssen, wie etwa einen Prozess des Ableitens, des Simulierens oder des Deutens, da die mentalen Zustände Anderer versteckt oder nicht direkt erreichbar für den Beobachter seien. Zu diesem Lager zählen etwa Vertreter von Standartversionen der teory theory und der simulation theory. Auf der anderen Seite stehen die Anti-Cartesianer. Diese wiederum sind der Ansicht, dass Zustände wie Emotionen oder die Intentionalität einer Handlung häufig direkt für einen Beobachter wahrnehmbar, also nicht prinzipiell versteckt seien. Der Anti-Cartesianismus, bekannt aus den Arbeiten Wittgensteins und Schelers, wird im Zuge gegenwärtiger Naturalisierungsstrategien wieder neuentdeckt (Elizabeth Patcherie, Shaun Gallagher).

Ich werde argumentieren, dass beide Seiten einen grundlegenden Fehler machen: Sie scheinen zumindest implizit die Prämisse zu vertreten, dass eine Eigenschaft genau dann nicht direkt wahrnehmbar sei, wenn auf ihr Vorhandensein lediglich unter Rückgriff auf kognitive Kompetenzen des Bewusstseins geschlossen werden könne – zumindest artikulieren diese Theoretiker ihre Ansätze entsprechend. Ich werde zeigen, dass es eine Ambiguität im Wahrnehmungsbegriff gibt, die es erlaubt, Intentionen und Emotionen als sowohl wahrnehmbar, als auch als versteckt zu charakterisieren. Der Unterschied liegt darin, dass ‛Wahrnehmung’ nur in einem Sinne eine direkte kausale Verbindung zwischen Wahrgenommenem und Wahrnehmendem voraussetzt. Diese besteht nicht im Falle von Wahrnehmungsereignissen von Emotionen und Intentionen. Dennoch kann erklärt werden, warum wir Perzepte von Emotionen und Intentionen verlässlich formen: Emotionen und Intentionen korrelieren mit direkt wahrnehmbaren Eigenschaften. Es scheint – empirische Befunde sprechen dafür – als wären wir schlicht darauf geeicht, Perzepte von Intentionen und Emotionen zu bilden, sobald wir mit den korrespondierenden, direkt wahrnehmbaren Phänomenen konfrontiert werden. Der sich daraus ergebende Ansatz, der anti-kognitivistische Cartesianismus, hat den Vorteil, dass er erstens mit metaphysischen Überlegungen zum Status von Emotionen und Intentionen umgehen kann (diese sind schlicht nicht in der Lage unseren Wahrnehmungsapparat kausal zu affizieren) und dass er zweitens die berechtigte Kritik der Anti-Cartesianer am kognitiven Cartesianismus bewahrt: Wir können solche Eigenschaften wahrnehmen ohne bewusste Prozesse ablaufen lassen zu müssen, obwohl diese Eigenschaften versteckt und für einen Beobachter nicht direkt erreichbar sind.

Abschließend werde ich ein Modell entwickeln, das die Konsequenzen dieser Diskussion für unseren Wahrnehmungsapparat illustriert: Dieser scheint über einen lediglich Eigenschaften detektierenden, passiven Teil zu verfügen wie auch über einen zum Teil angeboren, zum Teil in der Entwicklung herausgebildeten aktiven Teil. Dieser aktive Teil ist dafür verantwortlich, dass bestimmte sensorische Typen zur Bildung eines Perzepts führen, das eine Intentionalitäts- oder Emotionskomponente einschließt. Der aktive Teil umfasst solche Facetten wie die kürzlich entdeckte Spiegelneuronentätigkeit und kann solche Phänomene wie die frühkindliche Imitation von Erwachsenenverhalten erklären helfen.

Das Modell lässt sich auf die Wahrnehmung von Artefakteigenschaften erweitern, da diese ebenfalls, wie Emotionen und Intentionalitätseigenschaften, nicht direkt erreichbar aber dennoch in gewissem Sinne wahrnehmbar sind. Damit trägt das Modell zur Charakterisierung derjenigen basalen Mechanismen bei, die uns die Wahrnehmung der sozialen Welt ermöglichen, die ja in wesentlichen Teilen durch Intentionalität, Emotionalität und das Vorhandensein von Artefakten konstituiert ist.

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