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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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Sektionsredner

Dr. Michael Städtler (Hannover) - Curriculum Vitae
Probleme und Chancen von Selbstbestimmung zwischen Natur und Technik

Abstract

Die Kantische Unterscheidung von objektiver Realität der konstitutiven spekulativen Prinzipien und ‚bloß‘ praktischer Realität der regulativen Ideen weist die menschlichen Subjekte als ambivalente aus, zwischen einer Objektivität, die sie theoretisch beherrschen können und einer objektiven Realität, die sie praktisch – technisch wie moralisch – nicht, zumindest noch nicht, beherrschen. Eine Vermittlung kann in geschichtlicher Perspektive gedacht werden. In diesem Zusammenhang ist die systematische Funktion der Kritik der Urteilskraft, zwischen Natur und Freiheit zu vermitteln, immer wieder auch in praktischer, lebensbezogener Weise interpretiert worden (vgl. zuletzt R. Hiltscher u.a. (Hg.): Die Vollendung der Transzendentalphilosophie in Kants ‚Kritik der Urteilskraft‘, Berlin 2007). Auf die Funktion der reflektierenden Urteilskraft „als der systematische Anknüpfungspunkt einer über die neue Sensibilität für Natur ausgelösten Wissenschafts- und Rationalitätskritik“ und den bildungstheoretischen Zusammenhang von Kultur und Technik hat P. Euler (Technologie und Urteilskraft, Weinheim 1999, 17) hingewiesen. Damit wären die Prozesse von Zivilisation und Kultur, durch die Menschen sich vom Naturzwang distanzieren, im Begriff der Bildung zu reflektieren, damit sie selbstbestimmte Prozesse bleiben können. Über Bildung wären Moral und Technik lebenspraktisch zu vermitteln. Von hier aus rückblickend ergibt sich schon aus der ‚Naturgesetzformel‘ des Sittengesetzes die Möglichkeit, Welt als zweite Natur zu verstehen, die von den Menschen zweckmäßig für ihre Zwecke hergestellt wird; dabei ist nicht nur auf die technische, sondern zugleich auf die moralische Möglichkeit der Zwecke angespielt.

Es soll die These begründet werden, daß auch das theoretische Handeln der Menschen, Erkenntnis, nicht schlechthin das Handeln von Individuen ist, denn Erkenntnis ist nicht erst in der Allgemeinheit ihrer Geltung unmittelbar auf alle Menschen bezogen, sondern sie ist schon eine gemeinschaftliche Leistung, indem ihre Erweiterung die Resultate vergangener Erkenntnisprozesse anderer Menschen als systematisch integrierbar voraussetzt und indem die Naturforschung großen Stils wesentlich Arbeitsteilung voraussetzt; ihre technische Form könnte von keinem Einzelnen mehr beherrscht werden. Das ist eine systematische und historisch entwickelte Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis, die gleichwohl erkenntnistheoretisch kaum Niederschlag fand (vgl. P. Bulthaup, Zur gesellschaftlichen Funktion der Naturwissenschaften, Frankfurt a. M. 1973 und jetzt F. Kuhne, Selbstbewußtsein und Erfahrung bei kant und Fichte, Hamburg 2007).

Im Kontext der Kulturreflexionen der Kritik der Urteilskraft lassen sich am ehesten bei Kant selbst Elemente aufweisen, von denen aus in jene Richtung zu argumentieren wäre. Anhand von Kants Modellen, dem Verhältnis von Kunst (und Technik) zur Natur, vor allem aber der Stellung des Erhabenen zur Ästhetik können solche Elemente entwickelt werden, die den Einzelnen in seiner Potenz zur menschlichen Gattung, zur praktischen Allgemeinheit, erkennbar werden lassen. So ließe sich der scheinbar unmittelbare Naturzusammenhang, dessen Erkennbarkeit Kant zu der Vorstellung einer kunstanalogen Zweckmäßigkeit veranlaßt, selbst als Resultat der Kultur- und Zivilisationsgeschichte interpretieren: Kein Gegenstand einer Naturwissenschaft liegt von selbst in der isolierten Gestalt vor, in der er Gegenstand von Wissenschaft werden kann. Die Möglichkeit der Präparation durch einen Laborassistenten setzt den geschichtlichen Prozeß der Ablösung der Menschen vom bloßen Naturzusammenhang voraus, der nur durch die generationenübergreifend aufeinander bezogenen Tätigkeiten Vieler möglich war.

Daran anschließend ist zu erwägen, ob sich der Kunstanalogie in Kants Naturbegriff das Potential weitergehender Vermittlung von Mensch und Natur abgewinnen ließe. Die zu erörternde These ist, daß ein so auch geschichtlich, am praktischen und epistemologischen Vermittlungsprozeß von Mensch und Natur, reflektierter Begriff von wissenschaftlichem Selbstverständnis eine Vermittlung der Ambivalenz von Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung ermöglicht. Solchem Selbstverständnis könnte ein Fortschrittsbegriff korrespondieren, der anders als der maß- und weitgehend ziellose der Moderne Maß und Ziel hätte, nämlich in der ihm immanenten Reflexion auf die Verwobenheit menschlicher und natürlicher Bedingungen. Darin wäre etwa eine Schranke der Zerstörung natürlicher Ressourcen durch die Technisierung von Wissenschaft zu identifizieren, weil diese Technisierung aus ihrem subjektiven Grund heraus nicht als wertfrei zu verstehen wäre. Ein ideales Konzept wissenschaftlichen Selbstverständnisses wäre das gleichwohl nicht, denn es wäre ebenso Vergegenwärtigung des Scheiterns und der Katastrophen. Gerade im Nicht-Idealen, Gebrochenen, liegt aber das humane Potential dieser Reflexion.

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Curriculum Vitae von Dr. Michael Städtler

Studium:
  • Bis 1997: Philosophie, Germanistik, Anglistik, Geschichte (Hannover). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • 2002: Die Freiheit der Reflexion. Zum Zusammenhang der praktischen mit der theoretischen Philosophie bei Hegel, Thomas von Aquin und Aristoteles (Hannover)
Habilitation:
  • Praktische Subjektivität im Ausgang von Kant (Hannover)
Forschungsschwerpunkt(e):
  • der Zusammenhang theoretischer und praktischer Philosophie (inkl. Geschichte und Ästhetik)
  • Gesellschaftstheorie
  • Kant
Berufliche Stationen:
  • 2003 - 2006: Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Universität Hannover
  • 1999: Leiter des Gesellschaftswissenschaftlichen Instituts Hannover
Wichtigste Publikation(en):
  • Mit und gegen Hegel. Von der Gegenstandslosigkeit der absoluten Reflexion zur Begriffslosigkeit der Gegenwart, Lüneburg 2000
  • Die Freiheit der Reflexion. Zum Zusammenhang der praktischen mit der theoretischen Philosophie bei Hegel, Thomas von Aquin und Aristoteles, Berlin 2003
  • Kants Ethisches Gemeinwesen. Die Religionsschrift zwischen Vernunftkritik und praktischer Philosophie, Berlin 2005
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