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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Jan Slaby (Osnabrück) - Curriculum Vitae
Zur Phänomenologie der affektiven Intentionalität

Abstract

Eine zentrale These, die in der zuletzt verstärkt geführten Debatten über die Natur und Rolle der menschlichen Gefühle oft vertreten wird, besagt, dass der Welt- und Selbstbezug von Personen im Kern ein affektives Geschehen sei. Gefühle seien zentrale Vollzugsformen des Welt- und Selbstbezugs und damit relevant für Erkennen, Bewerten, Entscheiden und Handeln. Affektive Intentionalität – diese Bezeichnung steht für eine Form der Weltorientierung sui generis, die für die personale Existenz in der Welt grundlegend ist. Allerdings können viele Thematisierungen der affektiven Intentionalität nicht überzeugen. Es fehlt eine einheitliche Sichtweise, die alle Aspekte umfasst und in ihrem Zusammenhang betrachtet. Vor allem besteht ein gravierendes phänomenologisches Defizit.

In meinem Beitrag werde ich auf dem Wege einer Kritik an aktuell vertretenen Ansätzen schrittweise eine phänomenologische Skizze der affektiven Intentionalität entwickeln, in welcher die zentralen Aspekte angemessen zur Geltung kommen. Wie sich bei einem Blick in die Literatur zeigt, findet sich nur selten eine unbefangene Beschreibung dessen, wie sich Gefühle im menschlichen Leben tatsächlich manifestieren. Meist werden Gefühle so beschrieben, dass sie sich nahtlos in die jeweils vorausgesetzte Sicht des Geistes, der Psyche, oder des Organismus einfügen. Unterscheidungen wie die zwischen Erfahrung und Handlung, Fühlen und Denken, Körper und Geist, Innen und Außen etc. werden einfach unkritisch vorausgesetzt.

So wird etwa die Emotion Trauer von Vertretern des verbreiteten mentalistischen Gefühlsverständnisses wie folgt beschrieben: Eine Person ist in einem mentalen Zustand mit dem intentionalen Gehalt, dass sie einen schmerzlichen Verlust erlitten habe. Dieser Gehalt gehe einher mit charakteristischen physiologischen Veränderungen, die sich sowohl äußerlich in Form beobachtbaren Trauerverhaltens, als auch „innerlich“ in Form von unangenehmen Empfindungen manifestieren. Eine sog. Mehr-Komponententheorie liegt vor, wenn die auf diese Weise beschriebenen „Bestandteile“ des Affektiven bloß aufgelistet und als ein Syndrom trennbarer Vorkommnisse verstanden werden. Auch viele Versionen der kognitiven Emotionstheorien, die den Bewertungscharakter der Emotionen betonen, sind Versionen der Mehr-Komponententheorien (vgl. Lyons 1980, Ben Ze’ev 2000, Voss 2004).

In letzter Zeit argumentieren jedoch einige Autoren, dass Gefühle ein weitaus homogeneres Geschehen seien, als es die Komponententheorien nahe legen. Hier ist der Einfluss der Phänomenologie spürbar: Gefühle werden nicht so erlebt, als bestünden sie aus trennbaren Komponenten. Es handelt sich um eine unauflösliche Einheit von Intentionalität und phänomenalem Erleben: Bei einem Gefühl verbindet sich ein evaluativer Gehalt (im Falle der Trauer: ein Bezug auf den Verlust) mit den unangenehmen Empfindungen derart, dass der Verlust selbst affektiv erfahren wird (vgl. Goldie 2000, ch. 2, Helm 2001, Döring 2008). Erst mit Blick auf diese Konzeptionen ist die Rede von einer spezifisch affektiven Intentionalität wirklich angebracht: Der in den Gefühlen liegende Welt- und Selbstbezugs ist von grundsätzlich anderer Art als derjenige, welcher sich in nicht-affektiven Erfahrungen manifestiert (vgl. Slaby 2007).

Doch so sehr diese Sichtweisen auch einen Fortschritt gegenüber den kruden Komponententheorien darstellen, verbleiben sie doch in einem problematischen Mentalismus. Die Gefühle sind „drinnen“, in der Person, und sie sind, auch wenn ihnen ein „motivationaler Charakter“ beigelegt wird, letztlich etwas Mentales und als dieses vom Verhalten klar geschieden. So wirken die Gefühlsbeschreibungen, die in diesem Rahmen angestellt werden, immer noch eigentümlich künstlich.

In meinem Beitrag werde ich diejenigen fünf zentralen Aspekte der affektiven Intentionalität beschreiben und erläutern, die trotz ihrer Wichtigkeit von den meisten aktuellen Ansätzen nicht behandelt werden. Durch die Beschreibung und Aufhebung dieser typischen Engführungen ergibt sich schrittweise ein adäquates Bild der affektiven Intentionalität. Bei den genannten Engführungen handelt es sich erstens um den umfassenden Weltbezug der Gefühle, durch welchen weite Teile der Welterfahrung auf charakteristische Weise beeinflusst werden, zweitens um den iüberpersonalen Charakter der Gefühle, drittens um den engen Zusammenhang von Affektivität und Verhalten, viertens um den spezifischen affektiven Selbstbezug, der sich deutlich von anderen Art einer Selbstbezugnahme unterscheidet, und fünftens um die Leiblichkeit des Gefühlserlebens, die für die Intentionalität der Gefühle von zentraler Bedeutung ist. Im Zuge der Skizzierung dieser fünf Aspekte wird die Überlegenheit einer phänomenologischen gegenüber analytischen, mentalistischen und naturalistischen Ansätzen deutlich werden. Entscheidend ist, dass die Erfahrungsperspektive der fühlenden Person auf kontrollierte Weise in die Erforschung der Affektivität einbezogen wird.

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Curriculum Vitae von Dr. Jan Slaby

Studium:
  • Bis 2001: Philosophie (HF), Soziologie, Anglistik (Humboldt Universität zu Berlin). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • 2006: Gefühl und Weltbezug (Bereich Philosophie der Emotionen) (Univ. Osnabrück)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Universität Osnabrück
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Philosophie der Gefühle
  • Phänomenologie
  • Philosophie des Geistes und der Kognitionswissenschaften
Berufliche Stationen:
  • 2001 - 2008: wiss. Mitarbeiter
Wichtigste Publikation(en):
  • Gefühl und Weltbezug (Paderborn: Mentis 2008 - im Erscheinen)
  • "Affective Intentionality and the Feeling Body", in: Phenomenology and the Cognitive Sciences 2007 (OnlineFirst)
  • "Emotionaler Weltbezug. Ein Strukturschema im Anschluss an Heidegger", in: Landweer, H. Gefühle - Struktur und Funktion, Stutgart: Metzler 2007, S. 93-112
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