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Sektionsredner

Johannes Georg Schülein, M.A. (Berlin) - Curriculum Vitae
Das Sein und die Differenz. Zur Ambivalenz des Metaphysischen bei Gilles Deleuze und Jacques Derrida

Abstract

Dieser Beitrag möchte eine Neubewertung des Differenzdenkens von Gilles Deleuze und Jacques Derrida im Verhältnis zu Metaphysik vorschlagen. Anders als es in den gegenwärtigen Debatten zumeist gesehen wird, soll die These vertreten werden, dass das Verhältnis beider Autoren zu Metaphysik als ambivalent gelten muss und die vergleichende Lektüre ihrer Konzeptionen eine Perspektive auf ein Grundproblem jeder Philosophie mit einem prinzipiellen, an Differenz und Heterogenität orientierten Anspruch eröffnet: das Problem der adäquaten Form.

Vergleicht man Derrida und Deleuze aus der Distanz, drängt sich zunächst der hier zu kritisierende Befund auf. Zwar rückt in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts bei beiden Autoren Differenz in die Position eines Grundprinzips. Während aber Deleuze in diesem Zusammenhang als ein Denker der Erfahrung, des Werdens und des Lebendigen auftritt – kurz: als ein Denker der Fülle –, steht beim frühen Derrida die Sprache im Mittelpunkt – er wendet sich dabei Figurationen des Entzugs und des Unverfügbaren etwa in Schriften von Husserl, Saussure oder Rousseau zu. Diese Konstellation prägt auch und gerade ihre Differenzkonzeptionen: Deleuze führt den Begriff einer „Differenz an sich“ ein und sieht in ihr das Grundprinzip der Welt im Ganzen; Derrida ersetzt im französischen Wort für Differenz ein „e” durch ein „a” und bezeichnet mit der Neuschreibung „différance“ zuvorderst eine prinzipielle semantische Uneindeutigkeit in jeder sprachlichen Äußerung. Dass Deleuze die Welt ausgehend von Differenz denkt, Derrida aber letztlich eine semantische Unschärfe im Blick hat, arbeitet so der Einschätzung zu, Deleuze bewege sich eher im Bereich des Metaphysischen als Derrida. Seine schärfste Ausprägung erhält dieser Gegensatz schließlich in ihrem unterschiedlichen Umgang mit dem Terminus „Sein“: Indem Deleuze mit der Verschränkung von Wiederholung und Differenz einen Prozess permanenter Alteration am Grund der Dinge behauptet, führt er diesen Prozess zugleich als das wesentliche Charakteristikum des Seins ein. Dagegen kann Derridas Texten insbesondere in ihren häufigen Bezugnahmen auf Heidegger die Anstrengung abgelesen werden, jede Identifikation von différance und Sein zu vermeiden. Dass Derrida und Deleuze auf diese Weise Sein und Differenz in eine völlig verschiedene Beziehung zueinander setzen, führte zuletzt Daniel W. Smith im Anschluss an Giorgio Agamben zu der These, Deleuze sei als ein Metaphysiker zu sehen, während Derrida die Metaphysik zu überwinden versuche.

Entgegen dieser These soll in diesem Beitrag gezeigt werden, dass beide Denker trotz der zunächst gegensätzlichen Ausrichtung ihrer Projekte auf dasselbe Problem stoßen: die Schwierigkeit, ihre Differenzkonzeptionen in Propositionen adäquat zur Sprache zu bringen. Auf diese Schwierigkeit reagieren dann beide mit einer genuin performativen Strategie, in der die scheinbar eindeutige Ausrichtung ihres Denkens zugleich in Frage gestellt wird. So ergibt eine genaue Lektüre von Deleuzes in diesem Zusammenhang maßgeblicher Schrift „Differenz und Wiederholung“, dass er seinen metaphysischen Impuls nicht etwa in eine unmittelbare, direkt explizierte Differenzmetaphysik einmünden lässt, sondern dem Buch einen begrifflich-kategorialen Erklärungsanspruch ausdrücklich abspricht. Mit dem Buch liegt allem voran eine Inszenierung der Erfahrung von Divergenz vor, die als solche begrifflich nicht mehr einzuholen ist. Parallel dazu lässt sich in einem Parcours durch sämtliche frühe Schriften Derridas aufweisen, dass sein unmetaphysisches Auftreten damit zusammenhängt, dass er mit der différance einen Gedanken von umfassender Reichweite vorlegt, der in Gestalt dieser seiner Reichweite gerade eine Eigenschaft metaphysischen Denkens mitführt. Mit der différance, so soll gezeigt werden, stellt Derrida eine performativ gebrochene Prinzipienreflexion an. In seiner Vermeidung einer metaphysischen Geste kommt daher nicht eine Überwindung der Metaphysik zum Ausdruck, sondern allem voran der Versuch, die metaphysischen Spuren seiner eigenen Überlegungen zu verwischen. Mit dieser Interpretation will die vorliegende Arbeit nicht darauf hinaus, dass beide letztlich Metaphysik betreiben würden, sondern dass beide differenzphilosophischen Projekte mit einer Doppelreflexion operieren: Deleuze wird von seiner metaphysischen Absicht zu einer unmetaphysischen Reflexionsform geführt, während Derridas unmetaphysische Darstellungsweise eine Distanzierung von den metaphysischen Implikationen seines eigenen Schreibens bedeutet. In diesem Sinn muss das Denken beider als ambivalent gelten.

Als allgemeine Perspektive ergibt sich daraus die Frage, ob eine künftige Grundsatzreflexion anders verfahren kann als in rekursiv-gebrochener Form – zumindest dann, wenn sie sich nach wie vor einer von Differenz geprägten Lebenswelt gegenüber sieht, die ihre wissenschaftliche Begrifflichkeit auf die Probe stellt.

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Curriculum Vitae von Johannes Georg Schülein, M.A.

Studium:
  • Bis 2007: Philosophie, Neuere Geschichte, Volkswirtschaftslehre (Freiburg, Nizza, Berlin). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • 2010: Vollendung / Überwindung / Schließung. Hegel, Heidegger, Derrida über das Ende der Philosophie als Metaphysik. (FU Berlin)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • FU Berlin
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Metaphysik & zeitgenössische Metaphysikkritik
  • Philosophie der Sprache
  • Hegel, Heidegger, Derrida, Deleuze, Adorno
Wichtigste Publikation(en):
  • »La provincialisation de l‘Europe. Vers une pensée mondialisée à partir d‘un projet inachevé«, in: E. Njoh-Mouellé (Hg.), Actes du colloque »La philosophie et les interpretations de la mondialisation en Afrique«. Paris 2008 (Im Erscheinen)
  • »La utopía de lo no-idéntico. Perspectivas según Adorno y Derrida«, in: M. Cabot (Hg.), El pensamiento de Th. W. Adorno. Balance et perspectivas. Edicions de la Universitat de les Illes Balears, Palma 2007, S. 105-114.
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