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FAQ

Sektionsredner

Professor Dr. Dieter Schönecker (Siegen) - Curriculum Vitae
Moralischer Realismus und Beweislast

Abstract

In der Debatte um den sogenannten moralischen Realismus und Anti-Realismus findet man immer wieder die These, der moralische Anti-Realismus trage die Beweislast: Unter Verweis auf die reale moralische Praxis des mit Anspruch auf Richtigkeit stattfindenden Argumentierens, Gebietens und Wertempfindens müsse nicht der moralische Realismus beweisen, daß es moralische Tatsachen gibt, die normlogische Aussagen als tatsächlich wahrheitsfähige Aussagen sowie genuines Wertempfinden ermöglichen – diese Annahme (McNaughtons „presumption of realism“) ergebe sich eben ganz natürlich aus der realen moralischen Praxis, mit welcher der moralische Realismus besser übereinstimme –, sondern umgekehrt müsse der moralische Anti-Realismus beweisen, daß der moralische Realismus aufgrund bestimmter Probleme unhaltbar sei. Gelinge dem moralischen Anti-Realismus dies nicht, sei der moralische Realismus zu bevorzugen.

Meine Hauptthese lautet, daß diese Überlegung zumindest in dieser üblichen Form nicht stichhaltig ist, obwohl es, wie ich aber nur andeuten werde, richtig ist, daß die üblichen ontologischen, epistemologischen und psychologischen Argumente von der Absonderlichkeit (Mackie) in der Tat nicht triftig sind. Der moralische Anti-Realismus trägt die Beweislast, aber nicht aus dem Grund, der in der Debatte von Autoren wie Brink, McNaughton oder Schaber geltend gemacht wird.

Ich beginne mit drei vorbereitenden Analysen: Zunächst muß der Begriff des moralischen Realismus genau bestimmt werden (dabei wird es wichtig sein, ihn vom Objektivismus abzugrenzen). Zweitens werde ich kurz aufweisen, daß schon der Begriff der Beweislast keine klare Bedeutung hat, sofern damit an die Rechtssprache angeknüpft wird (was deutlich durch die Übernahme der alten Rechtsmaxime, daß die Beweispflicht beim Ankläger liege, der Fall ist), da die rechtliche Konstruktion auf die ethische nicht (ohne weiteres bzw. nicht so, wie es geschieht) übertragbar ist. Drittens werde ich den Nachweis führen, daß auch der Begriff der moralischen Praxis, wie er in diesem Kontext gebraucht wird, erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt: Es kann bezweifelt werden, ob die moralische Praxis wirklich so ist, wie moralische Realisten behaupten, daß sie es sei (nämlich sozusagen ,realistisch‛); zudem gibt es Schwierigkeiten, diese moralische Praxis vom Realismus und damit auch von dessen Voraussetzung (,presumption‛) abzugrenzen.

Die wesentliche Schwäche der These, der Anti-Realismus trage die Beweislast und der moralische Realismus sei zu bevorzugen, solange nicht das Gegenteil (seine Unhaltbarkeit) bewiesen sei, liegt aber in der falschen Antwort auf die Frage, warum der moralische Realismus zu bevorzugen sei. So, wie diese Antwort in der Debatte tatsächlich vorgetragen wird, lautet sie: Der moralische Realismus stimme besser mit der moralischen Praxis überein. Diese Antwort ist aus drei Gründen nicht befriedigend: Erstens wird de facto keine klare Bestimmung angeboten, was ,besser übereinstimmen‛ bedeutet; zweitens sind zumindest in einer möglichen Bedeutung (,besser übereinstimmen‛ heißt soviel wie ,besser erklären‛) die rivalisierenden Irrtums-Theorien (z.B. von Mackie) mindestens genauso plausibel; und drittens würde selbst dann, wenn der moralische Realismus in irgendeiner der möglichen Bedeutungen besser mit der moralischen Praxis übereinstimmte, daraus alleine nicht folgen, daß er, epistemologisch betrachtet, zu bevorzugen (rechtfertigt) sei.

Vielmehr trägt der moralische Anti-Realismus nur dann die Beweislast, wenn die moralische Praxis (und der moralische Realismus als seine Implikation) als solche bereits rechtfertigende Kraft hat. Im letzten Teil werde ich daher (u.a. im Rückgriff auf Überlegungen der sogenannten reformierten Epistemologie Alstons und Plantingas) zu zeigen versuchen, daß durch die moralische Werterfahrung als einen Akt der Selbst-Evidenz die moralische Praxis prima facie rechtfertigt ist und daher der moralische Anti-Realismus in der Tat die Beweislast trägt (wenn auch auf eine andere Weise, als seine Opponenten es behaupten).

Die Autoren, auf die ich Bezug nehmen werde, sind:

Alston, William (1991): Perceiving God. The Epistemology of Religious Experience, Ithaca/London.

Brink, David O. (1989): Moral Realism and the Foundations of Ethics, Cambridge University Press.

Nagel, Thomas (1986): The View from Nowhere, Oxford University Press.

David McNaughton (1988): Moral Vision. An Introduction to Ethics, Oxford UK & Cambridge USA (Blackwell).

Plantinga, Alvin (2000): Warranted Christian Belief, New York/Oxford.

Schaber, Peter (1997): Moralischer Realismus, Freiburg/München.

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Curriculum Vitae von Professor Dr. Dieter Schönecker

Studium:
  • Bis 1991: Philosophie, Literaturwissenschaft, Religionswissenschaft (Bonn, Amherst). Abschluss: MA
Promotion:
  • 1997: Die Deduktion des kategorischen Imperativs (Bonn)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Siegen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Metaethik
  • Kant
  • Erkenntnistheorie
Berufliche Stationen:
  • 2000 - 2003: wiss. Ass. Halle/S.
  • 2003 - 2005: Prof. Stonehill College
  • 2006: Prof. Universität Siegen
Wichtigste Publikation(en):
  • Kant: Grundlegung III. Die Deduktion des kategorischen Imperativs, pp. 429, Karl Alber-Verlag, Freiburg/München, 1999.
  • “Warum moralisch sein? Eine Landkarte für Moralische Realisten”, in: Heiner F. Klemme / Manfred Kühn / Dieter Schönecker (eds.): Moralische Motivation. Kant und die Alternativen. Felix Meiner Verlag, Hamburg, 2006, 299-327.
  • “In dubio pro embryone. Neue Argumente zum moralischen Status menschlicher Embryonen”, in: Gregor Damschen / Dieter Schönecker (eds.): Der moralische Status menschlicher Embryonen. Argumente pro und contra Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Walter de Gruyter, Berlin (with Gregor Damschen), 2003, 187-267.
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