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FAQ

Sektionsredner

Professor Dr. Bernhard Schmid (Basel, CH) - Curriculum Vitae
Das Paradox des Altruismus und die Grenzen intentionaler Autarkie

Abstract

Das Paradox des Altruismus und die Grenzen intentionaler Autarkie

Das Paradox des Altruismus besteht in einem Widerspruch zwischen den

beiden folgenden, intuitiv gleichermassen plausiblen Annahmen:

1. Ein Verhalten ist nur dann eine Handlung, wenn es irgendwie durch

die Wünsche, Anliegen, Bedürfnisse etc. des Akteurs rationalisiert wird.

2. Ein Handeln ist dann wirklich altruistisch, wenn das entsprechende

Verhalten nicht durch die eigenen Wünsche, Anliegen, Bedürfnisse etc.

des Altruisten, sondern durch jene des Benefiziars der Handlung

rationalisiert wird.

In der gegenwärtigen Literatur zum Altruismus wird das Paradox des

Altruismus nicht ernst genommen, sondern als "Kurzschluss"

(Sober/Wilson) bzw. als bloße Naivität (Kitcher) bezeichnet.

Altruistische Akteure, so die heute gängige These, handeln durchaus

aufgrund von eigenen Wünschen, nur daß diese Wünsche eben nicht von

der selbstbezogenen Art sind, sondern in geeigneter Weise auf die

Wünsche, Anliegen, Bedürfnisse etc. der Benefiziare gerichtet sind

("fremdbezogene Wünsche"). Der Widerspruch zwischen 1. und 2. wird

gelöst, indem Annahme 2 fallengelassen wird. Das Verhalten von

Personen, die aus dem Wunsch handeln, anderen beizustehen, wird primär

durch einen eigenen Wunsch des Akteurs rationalisiert, und bloß

sekundär durch die Anliegen und Bedürfnisse der Benefiziare, die im

Gehalt der fremdbezogenen Wünsche vorkommen.

Die Lösung des Paradoxes über die Annahme fremdbezogener Wünsche ist

für weite Bereiche altruistischen Handelns durchaus plausibel,

darunter für die in der Altruismus-Literatur paradigmatischen Fälle

der aufopernden Wohltätigkeit. In diesem Paper weise ich indes auf

eine breite, in der Literatur bislang vernachlässigte Klasse von

altruistischem Verhalten hin. Es geht dabei um beiläufige

Kleinkosten-Alltagskooperation wie das zuvorkommende Sichausweichen

auf dem Bürgersteig, das Zurseiterücken auf der Parkbank, das

Aufhalten von Türen, etc. Ich vertrete die Ansicht, daß für diese

Klasse von Verhalten, die für menschliche Kooperation weit wichtiger

und grundlegender ist als die paradigmatischen Fälle aufopfernder

Wohltätigkeit, die klassische Lösung des Paradox des Altruismus nicht

funktioniert, und ich schlage eine alternative Lösung mit

weitreichenden handlungstheoretischen Konsequenzen vor.

Erklärungen von beiläufigen Alltagskooperationen über fremdbezogene

Wünsche wirken sowohl im Licht der vortheoretischen Alltagsintuition,

als auch im Licht neuerer Analysen der Genese von Kooperation und der

Struktur von Empathie ausgesprochen unplausibel. Alternative

Erklärungen wie jene über die Normen der Höflichkeit oder

Alltagsroutinen kranken daran, daß manche dieser Verhaltensweisen

geradezu gegen die Höflichkeitsnormen verstoßen (etwa das Beenden von

Sätzen für andere) und andere keinen Routinencharakter haben. Deshalb

muß für diese Klasse von Verhalten eine andere Lösung des Paradox des

Altruismus gefunden werden. Wie kann dieses Verhalten primär durch die

Wünsche, Anliegen etc. der Benefiziare rationalisiert werden, und

trotzdem Handeln der Altruisten (und nicht der Benefiziare) sein?

Ich schlage folgende Unterscheidung vor:

a. Intentionale Autonomie: das Verhalten jedes Indivdiuums sollte als

sein eigenes Handeln interpretiert werden.

b. Intentionale Autarkie: die intentionale Interpretation des

Verhaltens jedes Individuums muß letztlich in den eigenen Wünschen,

Anliegen, Bedürfnissen auslaufen.

Ich vertrete die These, daß entgegen der stillschweigenden Annahme der

gängigen Handlungstheorie b. nicht von a. impliziert wird, und daß die

angesprochene Verhaltensklasse mit a. konform geht, nicht aber mit b.

Mein Argument lautet mithin, daß die intentionale Interpretation eines

Verhaltens, das von einem Akteur beabsichtigt wird, durchaus in den

Volitionen eines anderen Akteurs auslaufen kann. Eine abschließende

Überlegung bezieht sich auf die Annahme intentionaler Autarkie. Ich

vertrete die Ansicht, daß sie kein Strukturmoment des Handelns ist,

sondern ein grundsätzlicher kultureller Wert, der unser

individualistisches Selbstverständnis durchdringt. Es ist für unsere

Kultur charakteristisch, daß wir annehmen, daß Leute Dinge nicht

einfach deshalb tun sollten, weil andere sie getan haben wollen.

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Curriculum Vitae von Professor Dr. Bernhard Schmid

Studium:
  • Bis 1994: Philosophie, Soziologie, Allgemeine Geschichte des Mittelalters (Basel). Abschluss: Lizentiat
Promotion:
  • 1999: Subjekt, System, Diskurs (Basel)
Habilitation:
  • 2005: Wir-Intentionalität (Basel)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Basel
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Phänomenologie
  • Sozialphilosophie
Berufliche Stationen:
  • 1995 - 1998: Assistent für Soziologie
  • 1999 - 2005: Oberassistent für Philosophie
  • 2006: SNF-Förderungsprofessor
Wichtigste Publikation(en):
  • Wir-Intentionalität
  • Subjekt, System, Diskurs
  • Rationality and Commitment
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