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FAQ

Sektionsredner

Dr. Christian Sachse (Lausanne, CH) - Curriculum Vitae
Wissenschaftliche Qualität von pragmatischen Abstraktionen der Biologie

Abstract

Nicht zu bezweifeln ist der pragmatische Wert der Biologie, alles Lebendige zu erklären. Hiervon ausgehend postulieren anti-reduktionistische Positionen deren wissenschaftliche Unverzichtbarkeit, wohingegen reduktionistische Modelle die Elimination ihrer wissenschaftlichen Qualität nach sich ziehen. In diesem Beitrag soll demgegenüber eine neue Sicht begründet werden.

In der heutigen Wissenschaftstheorie ist weitgehend akzeptiert, dass wenn sich die Biologie auf Vorkommnisse von Eigenschaften in der Welt bezieht, diese mit etwas Physikalischem identisch sind (ontologischer Reduktionismus). Daraus folgt, dass alles Biologische auch von der Physik betrachtet werden kann, wobei eine solche physikalische Betrachtung epistemisch vollständig ist. Demnach sind biologische Eigenschaftsvorkommnisse mit komplexen physikalischen Eigenschaftskonfigurationen identisch, welche sich gemäß physikalischer Gesetzmässigkeiten verhalten. Daraus ergibt sich, dass eine biologische Erklärung nichts erklärt, was die Physik nicht prinzipiell erklären könnte.

Betrachtet man hieran anschließend die Argumente, die für eine Unverzichtbarkeit der Biologie sprechen, so gehen diese letzten Endes auf die multiple Realisierbarkeit funktional definierter biologischer Eigenschaften zurück. Hierdurch kann begründet werden, dass lediglich die Biologie wesentliche ontologische Ähnlichkeiten zwischen physikalisch unterschiedlichen Realisern erfassen kann. Als anti-reduktionistisches Argument verstanden führt dies jedoch zu folgendem Dilemma:

Die multiple Realisierbarkeit schließt eine systematische Verknüpfung von biologischen und physikalischen Erklärungen aus. Aus diesem Grunde kann die wissenschaftliche Qualität biologischer Erklärungen nicht begründet werden, ohne dabei im direkten Konflikt mit dem ontologischen Reduktionismus und/oder dem epistemischen Vollständigkeitsprinzip der Physik zu stehen.

Dies motiviert reduktionistische Ansätze wie die von Lewis, Kim oder Bickle, welche im Gegensatz zu Nagels klassischem Modell mit multipler Realisierung kompatibel sind. Wie jedoch implizit oder explizit aus diesen Ansätzen hervorgeht, kommt der Biologie lediglich ein pragmatischer Wert zu, weil die wissenschaftliche Qualität von abstrakten Konzepten der Einzelwissenschaften nicht gesichert werden kann – weshalb diese Ansätze letzten Endes zur Elimination der wissenschaftlichen Qualität der Biologie führen.

Demgegenüber lässt sich vor dem Hintergrund eines jüngst vorgeschlagenen, neuen Reduktionsmodells (Esfeld & Sachse 2007) eine andere Sicht begründen. Biologische Eigenschaftstypen können derart feingliedrig funktional definiert werden, dass eine nomologische Koextensionlität zwischen diesen so genannten biologischen Sub-Typen und physikalischen Typen erzielt werden kann: Multiple Realisierung impliziert, dass es kausale Unterschiede zwischen den verschiedenen physikalischen Realisierern gibt. Gegeben bestimmte Umweltbedingen führen diese kausalen Unterschiede zu aus biologischer Perspektive beobachtbaren funktionalen Unterschieden, welche die Konstruktion besagter Sub-Typen ermöglichen. Aufgrund der nomologischen Koextension physikalischer Typen mit mit diesen biologischen Sub-Typen steht als erstes Resultat deren theoretische wissenschaftliche Qualität außer Frage.

Vergleicht man nun in einem weiteren Schritt die multipel realisierten biologischen Typen mit ihren jeweils möglichen Sub-Typen, so stellen sich die in den Sub-Typen enthaltenen funktionalen Details als einziger Unterschied heraus: Biologischer Typ und Sub-Typ sind insofern gleich, als dass der Typ jeweils im Sub-Typ enthalten ist. In diesem neuen Modell können nun die abstrakten biologischen Begriffe, welche sich auf die multipel realisierten Typen beziehen, erstmals als rein innertheoretische Abstraktionen der detaillierten Beschreibungen der Sub-Typen betrachtet werden. Dies ermöglicht, die wissenschaftliche Qualität der abstrakten biologischen Begriffe nachzuvollziehen, ohne dabei mit dem ontologischen Reduktionismus und/oder dem epistemischen Vollständigkeitsprinzip der Physik in Konflikt zu geraten.

Hierdurch wird das Dilemma der multiplen Realisierbarkeit insofern gelöst, als dass es kein positives Argument mehr gibt, die wissenschaftliche Qualität der Biologie zu eliminieren. Eine Abstraktion von physikalischen Details kann nun als wissenschaftlich nachvollzogen werden, weil es möglich ist, die Begriffe biologischer Gesetzmäßigkeiten via Sub-Typen systematisch mit physikalischen Beschreibungen und Gesetzmäßigkeiten zu verbinden. In diesem Rahmen legt der ontologische Reduktionismus und das epistemische Vollständigkeitsprinzip der Physik keine Unwissenschaftlichkeit biologischer Abstraktionen mehr nahe. Sowohl ohne mit der Physik in Konflikt zu stehen als auch ohne die Biologie als eine unverzichtbare Wissenschaft darstellen zu müssen, kann gesagt werden, dass der wissenschaftliche Nutzen biologischer Abstraktionen über einen rein pragmatischen Vorteil hinaus geht.

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Curriculum Vitae von Dr. Christian Sachse

Studium:
  • Bis 2004: Philosophie, Biologie (Köln, Bonn). Abschluss: Staatsexamen
Promotion:
  • 2007: Reductionism in the philosophy of science (Lausanne)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Lausanne
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Philosophie der Biologie
  • Philosophie des Geistes
  • Spieltheorie
Berufliche Stationen:
  • 2007 - unbestimmt: Maître d'enseignement et de recherche
Wichtigste Publikation(en):
  • "Reductionism in the philosophy of science", Frankfurt (Main): Ontos, 2007.
  • "Theory reduction by means of functional sub-types" mit M. Esfeld, International Studies in the Philosophy of Science, 21:1 (2007), S. 1-17
  • "La philosophie comme réflexion sur les sciences", Studia Philosophica 67 (2007), SS. 79-92.
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