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FAQ

Sektionsredner

Dr. Jacob Rosenthal (Bonn) - Curriculum Vitae
Handlungen versus Quasi-Handlungen, oder: Was für eine Art Freiheit wollen wir? Terminologische und sachliche Aspekte der Willensfreiheitsdebatte

Abstract

In der Debatte um das Verhältnis von Willensfreiheit und Determinismus gibt es im inkompatibilistischen Lager in jüngster Zeit verstärkt Stimmen, die die Unvereinbarkeit mit dem Determinismus bereits an den Begriffen der Handlung und Entscheidung, des Wollens und Wählens, oder gar der Fähigkeit festmachen möchten (Seebaß 2006, Keil 2007). Sie berufen sich dabei auf zeitlich so weit voneinander entfernte Klassiker wie Aristoteles und von Wright. Wenn sie Recht hätten, wäre eine grundsätzliche Entscheidung zugunsten des Inkompatibilismus herbeigeführt, und zwar noch bevor der Begriff der Willensfreiheit oder die Unterscheidung freier und unfreier Arten der Willensbildung überhaupt im Spiel wäre. Handeln wäre eo ipso freies Handeln, Entscheiden wäre eo ipso ein Entscheiden zwischen realen, „ontischen“ Alternativen usw.

Die erste These des Vortrags ist, dass diese Argumentationsstrategie ihre Erfolge auf zu simple Weise zu erreichen versucht. Auch wenn die erwähnten begrifflichen Diagnosen korrekt sein sollten, lassen sich doch Sachprobleme niemals auf einer rein terminologischen Ebene lösen. Wären derartige Argumente bereits ausreichend, käme das dem Zugeständnis gleich, dass das Willensfreiheits-Determinismus-Problem gar keinen sachlichen Gehalt besitzt, sondern ein Streit der Art ist, ob es verheiratete Junggesellen gibt oder nicht. Tatsächlich handelt es sich aber nicht um ein derartiges Problem, und die begrifflichen Vorentscheidungen, wenn man sie mitmacht, bewirken daher nur, dass das Problem in eine andere Terminologie gegossen werden muss. Dies wird bei den genannten Autoren daran deutlich, dass sie ihre kompatibilistischen Opponenten auffordern, im Falle der Unterstellung des Determinismus statt von „Entscheidungen“, „Handlungen“, „Fähigkeiten“ usw. von „Quasi-Entscheidungen“, „Quasi-Handlungen“, „Quasi-Fähigkeiten“ usw. zu sprechen. Das könnten diese in entgegenkommender Weise durchaus tun, aber das Sachproblem, die Streitfrage zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten, stellt sich nun in der folgenden Form: Was geht jemandem ab, der statt Entscheidungen Quasi-Entscheidungen fällt, der statt zu handeln quasi-handelt, der statt Fähigkeiten Quasi-Fähigkeiten besitzt usw.? Selbstverständlich geht einer solchen Person die Handlungsfähigkeit ab, aber dafür hat sie ja die Quasi-Fähigkeit zu Quasi-Handlungen. Warum sollte man diese im Vergleich zu jener geringer schätzen? Diese Frage ist nun die eigentlich interessante, denn das Problem der Willensfreiheit und die Frage ihrer Gefährdung durch den Determinismus ist ja nur insoweit brisant, als diese Freiheit etwas Wünschenswertes ist.

In einem zweiten Schritt frage ich demzufolge, welche Gründe es sein könnten, die uns, im Sinne der genannten terminologischen Vorentscheidung, einen Zustand der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit entsprechenden deterministischen Quasi-Zuständen vorziehen, oder aber umgekehrt diese als wünschenswerter erscheinen lassen könnten. Ich komme zu dem Schluss, dass sich dabei kein einheitliches Bild ergibt. Einerseits ist die richtige Art und Weise des Determiniertseins insofern etwas Wünschenswertes, als wir am liebsten zuverlässig richtig (nämlich rational oder moralisch) entscheiden würden, während jede Form von Indeterminismus insofern Unberechenbarkeit in sich birgt, als stets die genuine Möglichkeit zum Anders-Handeln und damit insbesondere zum Verfehlen des Richtigen besteht. Unser Handeln steht genau wie unser Urteilen unter normativen Vorgaben, und im Idealfall wären wir so geartet, dass wir diese Vorgaben zuverlässig erfüllen. Dieser Idealfall verweist auf eine bestimmte Form der Determination. Das vollkommen rationale oder perfekt moralische Subjekt würde im Sinne jener Terminologie also nicht handeln, sondern quasi-handeln. Andererseits scheint der volle Sinn von moralischer Verantwortlichkeit genuine alternative Handlungsmöglichkeiten zu erfordern, und insofern mit jeder Art von Determination unvereinbar zu sein. Unser Interesse an Verantwortlichkeit im vollen Sinne wäre demzufolge ein Interesse an Handlungsfähigkeit, und nicht an einer Quasi-Fähigkeit zu Quasi-Handlungen.

Literatur:

Aristoteles: Nikomachische Ethik.

Geert Keil: Willensfreiheit. Berlin 2007 (de Gruyter).

Gottfried Seebaß: Handlung und Freiheit. Tübingen 2006 (Mohr Siebeck).

Georg Henrik von Wright: „Freedom and Determination“. In: Acta Philosophica Fennica 31

(1980), S. 5–88.

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Curriculum Vitae von Dr. Jacob Rosenthal

Studium:
  • Bis 1995: Mathematik, Informatik, Philosophie (Clausthal, Ulm, Würzburg, Athen, Konstanz). Abschluss: Dipl.math.
Promotion:
  • 2002: Die Propensity-Theorie der Wahrscheinlichkeit (Konstanz)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Universität Bonn
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie
  • Handlungstheorie
  • Rationalitätstheorien
Berufliche Stationen:
  • 01.08.2001 - 31.12.2003: Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Uni Bonn
  • 01.11.2004 - 31.01.2005: Stipendiat der "Philosophy, Probability, and Modeling (PPM) Group", Uni Konstanz
  • 01.02.2005 - jetzt: Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Uni Bonn
Wichtigste Publikation(en):
  • Monographie: Wahrscheinlichkeiten als Tendenzen. Eine Untersuchung objektiver Wahrscheinlichkeitsbegriffe. Paderborn: mentis 2004.
  • Beitrag in einem Sammelband, zusammen mit Corinna Mieth: "Freedom must be presupposed as a property of the will of all rational beings. A comment on GMS III, 447 f.". In: Christoph Horn und Dieter Schönecker (Hrsg.), Groundwork for the Metaphysics of Morals, Berlin/New York: de Gruyter 2006, 247-284.
  • Aufsatz: "Determinismus und Rationalität". In: Facta Philosophica 8 (2006), 193-206.
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