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FAQ

Sektionsredner

Dr. Louise Röska-Hardy (Essen/Dortmund) - Curriculum Vitae
Ist das Selbst ein sozio-kulturelles Konstrukt? Hirnforschung, Sprache und Theory of Mind

Abstract

Der Hirnforscher Wolf Singer betrachtet die Frage, „ob wir innerhalb neurobiologischer Beschreibungssysteme angeben können, wie unsere Selbstkonzepte entstehen, unser Ich-Bewusstsein und unsere Erfahrung, ein autonomes Agens zu sein, das frei ist zu entscheiden“, als die schwierigste Frage im Grenzgebiet zwischen Neurobiologie und Philosophie (2002, 73). Nach Ansicht Singers lässt sich diese Frage nicht ausschließlich im Rahmen der Neurobiologie beantworten, die sich an der naturwissenschaftlichen Untersuchung einzelner Gehirne orientiert. Singer versucht, die „Grenzen bisheriger Beschreibungssysteme zu überschreiten und diese ineinander zu überführen“ (1997, 182), indem er die „Ich-Erfahrung bzw. die subjektiven Konnotationen von Bewusstsein“ als kulturelle Konstrukte deutet. Sie sind als soziale Zuschreibungen zu verstehen, die „dem Dialog zwischen Gehirnen erwuchsen“ und deshalb aus der Betrachtung einzelner Gehirne nicht erklärbar sind. Seiner Hypothese zufolge „ ... [beruht] die Erfahrung ein autonomes, subjektives Ich zu sein, auf Konstrukten, die im Laufe unserer kulturellen Evolution entwickelt wurden“ (2002, 73). Selbstkonzepte wurden von Gehirnen im Verlauf der Evolution hervorgebracht, die zwei Eigenschaften aufweisen: erstens, „ein inneres Auge“ zu haben, so dass sie über "die Möglichkeit verfügen, Protokoll über hirninterne Prozesse zu führen, diese in Metarepräsentationen zu fassen und deren Inhalt über Gestik, Mimik und Sprache anderen Gehirnen mitzuteilen“ (2002, 73), und zweitens, die Fähigkeit eine ‚Theory of Mind’ aufzubauen und mentale Modelle von den Zuständen der anderen Gehirne zu erstellen (2002, 75). Die Theory of Mind-Fähigkeit und die Herausbildung differenzierter Sprachen ermöglichte demnach die Entwicklung von Kommunikationsprozessen, die zur Emergenz der den Menschen eigenen subjektiven Aspekte von Bewusstsein führten (2006, 2007).

Infolgedessen sind menschliche Gehirne in der Lage, in Dialoge einzutreten der Art "ich weiß, dass du weißt, wie ich fühle" oder "ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß, wie Du fühlst" usw. (2002, 74; 2004, 245). Nach Singer führen Interaktionen dieser Art zu einer iterativen wechselseitigen Bespiegelung im anderen. Diese Reflexion sei wiederum die Voraussetzung dafür, dass der Individuationsprozess einsetzen kann, dass die Erfahrung ein Selbst zu sein, das autonom und frei agieren kann, überhaupt möglich werde (2002, 7). Die subjektiven Konnotationen von Bewusstsein sind demnach Zuschreibungen, „die auf Dialogen zwischen sich wechselseitig spiegelnden Menschen gründen“.

 

In diesem Vortrag werde ich der Frage nachgehen, wie man sich die sozio-kulturelle Konstitution des Selbst konkret vorzustellen hat. In einem ersten Schritt diskutiere ich den Individualismus der „inneren Auge“-Hypothese Singers, welche „Repräsentationen von Repräsentationen“ als Resultat von der wiederholten Anwendung der gleichen neuronalen Prozesse auf hirninterne Prozesse annimmt, die für die Verarbeitung von exogenen Signalen angenommen werden. Im zweiten Schritt werde ich auf soziale Interaktionen im mikrosozialen Bereich (Mimik, Gestik, Verhaltensäußerungen) sowie im makrosozialen Bereich der alltagspsychologischen Zuschreibungen eingehen, um die Voraussetzungen der von Singer veranschlagten Theory of Mind-Fähigkeit zu erörtern. Zusammenfassend werde ich drei Thesen entwickeln. Erstens: Auch wenn Singer betont, dass das Selbst aus dem „Dialog zwischen Gehirnen“ entsteht fehlt bislang die Konkretisierung dieses Gedankens – zumal deshalb, weil wir kein materielles Substrat von sozialen Austauschprozessen auf der Ebene des einzelnen Gehirns finden können. Zweitens: Das „Dialog zwischen Gehirnen“ lässt sich nicht als Kommunikation auf der Ebene von einzelnen Gehirnen deuten. Vielmehr müssen „dialogfähige Gehirne“ in der Lage sein, sprachlich zu kommunizieren (2004). Folglich muss geklärt werden, welchen Beitrag die Sprache leistet und wie sich neuronale Prozesse zu sprachlichen Zuschreibungen verhalten. Drittens: Die Rolle und die Art von sozialen Interaktionen auf der personalen Ebene bei der Entstehung der Theory of Mind-Fähigkeit muss konkretisiert werden. Ich komme zu dem Ergebnis, dass Singer den Anspruch der Neurowissenschaften, das Selbst als sozio-kulturelles Konstrukt aufzuzeigen, das sich auf Verschaltungen von Nervenzellen zurückführen lässt, noch nicht eingelöst hat.

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Curriculum Vitae von Dr. Louise Röska-Hardy

Studium:
  • Bis 1985: Philosophie, Linguistik, Soziologie, Altphilologie, Romanistik (Agnes Scott College, North Carolina-Chapel Hill, Frankfurt am Main, Heidelberg). Abschluss: Dr. Phil.
Promotion:
  • 1985: Das Problem der Bedeutung in natürlichen Sprachen (Frankfurt am Main)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • KWI / Dortmund
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Menschen als denkende und handelnde Wesen in der natürlichen Welt
  • Sprache und Theory of Mind
  • philosophische Anthropologie
Wichtigste Publikation(en):
  • "Gibt es Personen in der natürlichen Welt?" 2007
  • "Internalism, Externalism and Davidson's Conception of the Mental" 1994
  • Die Bedeutung in natürlichen Sprachen 1988
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