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Sektionsredner

Priv.-Doz. Dr. Peter Rinderle (Tübingen) - Curriculum Vitae
Die Persona-Theorie der musikalischen Expressivität

Abstract

Wie lässt sich erklären, dass Musik von kompetenten Hörern oft als ein Ausdruck von Emotionen wahrgenommen und geschätzt wird? Das philosophische Problem, das von dieser weit verbreiteten Auffassung aufgeworfen wird, besteht darin, dass ein Musikstück kein empfindungsfähiges Lebewesen ist. Wir werden in der Regel keine Schwierigkeiten haben, den Gesichtsausdruck oder die Körperhaltung einer realen Person als Manifestationen bestimmter mentaler Zustände zu deuten. Doch wie bei der Identifikation der emotionalen Eigenschaften eines Gesichtsausdrucks scheint es auch bei der Identifikation der expressiven Gesten eines Musikstücks eine große Konvergenz zwischen verschiedenen Hörern zu geben.

Zunächst möchte ich zwei traditionelle Lösungen dieses Problems kurz skizzieren und kritisieren. Eine erste Option ist die sogenannte Erregungs- oder Evokationstheorie, die unter der Bezeichnung „Affektenlehre“ im Zeitalter des Barock populär war und in jüngster Zeit in der analytischen Philosophie wieder eine kleine Renaissance erlebt. Ihre Vertreter gehen davon aus, dass wir der Musik letztlich die Emotionen zuschreiben, die ein Zuhörer bei der Wahrnehmung dieses Musikstücks empfindet. Der wichtigste Einwand gegen diesen Vorschlag lautet, dass wir die Expressivität eines Musikstücks nicht von einer kontingenten, empirischen Beschreibung des Erregungszustands eines Zuhörers abhängig machen wollen.

Ein zweiter Vorschlag war dann im Zeitalter der Romantik vorherrschend: Wir können ein Musikstück als einen Ausdruck von Emotionen verstehen, weil wir seinem Komponisten die entsprechenden mentalen Zustände zuschreiben. Auch gegen diesen Ansatz sprechen gewichtige Einwände: Obwohl Mozart sich zum Zeitpunkt der Komposition seiner Jupiter-Symphonie in einem ziemlich niedergeschlagenen Zustand befand, lässt sich kaum ein stärkerer Ausdruck von Freude denken als der letzte Satz dieses Werks.

Hauptziel meines Referats ist dann eine Präsentation und Verteidigung der sogenannten Persona-Theorie der musikalischen Expressivität. Die Kernthese dieser Theorie lautet: Die Expressivität von Musik findet ihre Erklärung in der vom Hörer zu leistenden Konstruktion einer imaginären Person. Auf die expressiven Gesten dieser Person ist letztlich die Wahrnehmung bestimmter emotionaler Eigenschaften eines Musikstücks zurückzuführen. Wenn wir Musik hören, stellen wir uns diesem Vorschlag zufolge also ein empfindungsfähiges Wesen vor und schreiben diesem Wesen – anhand der expressiven Bewegungen, die es in einem musikalischen Raum ausführt – bestimmte Emotionen zu.

Konturtheoretiker (wie etwa Peter Kivy oder Stephen Davies) erheben gegen die Persona-Theorie den Einwand, dass Musik nicht zur Repräsentation von Personen geeignet sei; ihre Expressivität gründe nur in äußerlichen Ähnlichkeiten zwischen musikalischen Konturen und menschlichem Ausdrucksverhalten. Dagegen möchte ich die These vertreten, dass das expressive Potential von Musik nicht von ihrem repräsentativen Potential abhängt. Durch dieses expressive Potential kann Musik zu einer imaginären Reflexion von Emotionen und dadurch auch zu einer Kultivierung unseres Charakters beitragen. Neben der Erklärung der musikalischen Expressivität kann die Persona-Theorie somit auch eine plausible Begründung unserer Wertschätzung von Musik liefern.

Obwohl die Einwände des Konturtheoretikers zurückgewiesen werden können, bleiben für die Persona-Theorie doch einige Fragen und Probleme offen, die auch unter ihren Anhängern kontrovers diskutiert werden. Zwei Fragen möchte ich hier hervorheben und beantworten: 1) Frage: Was genau ist unter einer „musikalischen Person“ zu verstehen? Antwort: Einer Person kommt die Fähigkeit zur rationalen Reflexion ihrer mentalen Zustände zu. Die von der Musik angeleitete Imagination einer Person kann uns daher auch zu einer Reflexion unserer Emotionen einladen. Ausgehend von diesem Personbegriff steht uns zudem offen, von kollektiven Personen zu sprechen. Viele Musikstücke – etwa die Sinfonien Beethovens – geben daher auch uns die Möglichkeit, eine Imagination kollektiver Personen vorzunehmen.

2) Frage: Auf welche Weise schreiben wir einer (imaginären) Person Emotionen zu? Ist die Geste eine empirische Evidenz, die eine Inferenz auf das Vorliegen bestimmter Emotionen erlaubt? Oder ist die Zuschreibung einer Emotion das Resultat einer unmittelbaren Wahrnehmung? Antwort: Wir sind hier nicht zu einer Entscheidung zwischen den beiden Optionen gezwungen und können beide Möglichkeiten (entweder getrennt oder kombiniert) verwenden: Bestimmte Gesten werden wohl eine unmittelbare Wahrnehmung der entsprechenden (einfachen) Emotionen erlauben; hier sind keine Inferenzen notwendig. Komplexere emotionale Zustände (z. B. Humor, Tragik) werden wir aber tatsächlich nicht direkt wahrnehmen können; für ihre Identifikation können wir auf Inferenzen nicht verzichten.

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Curriculum Vitae von Priv.-Doz. Dr. Peter Rinderle

Studium:
  • Bis 1990: Philosophie, Politikwissenschaften, Volkswirtschaftslehre (München, Grenoble, Paris, Berlin, Cambridge). Abschluss: M.Phil.
Promotion:
  • 1995: Rawls und der Utilitarismus (E. U. I. Florenz)
Habilitation:
  • 2002: Grundlagen der politischen Verpflichtung (Tübingen)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Tübingen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Politische Philosophie
  • Philosophische Ethik
  • Musikästhetik
Berufliche Stationen:
  • 2005 - 2008: Wissenschaftlicher Angestellter
  • 2008 - 2008: Vertretungsprofessor
Wichtigste Publikation(en):
  • John Stuart Mill
  • Der Zweifel des Anarchisten
  • Werte im Widerstreit
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