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FAQ

Sektionsredner

Dr. Thomas Reydon (Hannover) - Curriculum Vitae
Natural kinds und Klassifizierung in Alltag und Wissenschaft

Abstract

Wie wichtig ist der Begriff von ‚natural kinds’ für unser Verständnis davon, wie wissenschaftliche und alltägliche Klassifizierungen ihre epistemische Funktionen erfüllen? Auf den ersten Blick scheint der Begriff diesbezüglich nur von begrenztem Wert zu sein.

Einige Philosophen, wie z.B. Russell (1948) oder Quine (1969), haben argumentiert, dass die Wissenschaftstheorie gut ohne einen ‚natural kind’-Begriff auskäme. In den Wissenschaften postulierte natural kinds, so Russell und Quine, ließen sich vollständig auf die ihnen zu Grunde liegenden Naturgesetze reduzieren. Gegenwärtige Wissenschaftsphilosophen, wie Churchland (1985) und Ellis (2001), haben ähnliche Positionen vertreten, wonach nur die fundamentalsten Bereiche der Naturwissenschaft, wie die Elementarteilchenphysik, sich mit „richtigen“ natural kinds befassen. Nach Churchland und Ellis wäre daher der Begriff von ‚natural kinds’ nur beschränkt hilfreich, und zwar nur in Versuchen, solche Fundamentalwissenschaften zu verstehen. Die genannten Positionen beruhen auf einem sehr strikt gefassten ‚natural kinds’-Begriff, der seiner Art nach nur in wenigen Bereichen der philosophischen Deutung wissenschaftlicher und alltäglicher Klassifizierungspraktiken brauchbar sein kann.

In der jüngeren Literatur findet sich eine dieser strikten Auffassung von natural kinds entgegen gesetzte Position. Einige stark liberal orientierte Wissenschaftsphilosophen, wie Dupré (1993) oder Boyd (1999), haben Positionen vorgestellt, die eine Verwischung des traditionell strikten Unterschieds zwischen natural kinds auf der einen Seite und sonstige Klassen auf der anderen Seite beinhaltet. Für Dupré sind z.B. die biologisch-wissenschaftliche Klassifikation von Lebewesen und Klassifikationen von Lebewesen, die im kulinarischen Bereich oder im Gartenbau verwendet werden, epistemologisch gleichgestellt. All diese verschiedenen Klassifikationen, so Dupré, sind für unseren Umgang mit der biologischen Welt ungefähr gleich nützlich, da sie alle für uns ein Mittel darstellen, allgemeingültige Erkenntnisse über die organismische Vielfalt zu gewinnen. Auch aus einer solchen Perspektive, wonach alle nützlichen Klassen den Status von natural kinds verdienen, scheint der ‚natural kind’-Begriff wenig hilfreich dabei zu sein, zu verstehen, wie Klassifizierung in der Wissenschaft und in der alltäglichen Lebenspraxis funktioniert. Der Unterschied zwischen natural kinds und sonstigen Arten von Klassen ist in den genannten Positionen zu stark verwässert, um für philosophische Analysen noch brauchbar sein zu können.

Dem scheinbaren Sachverhalt, dass der ‚natural kind’-Begriff nur beschränkt für die philosophischen Bemühungen des Verständnisses klassifikatorischer Praktiken in der Wissenschaft und im Alltag nützlich ist, möchte ich eine optimistischere Position gegenüberstellen. Ich werde zu zeigen versuchen, wie ein sinnvoller Mittelweg zwischen einer zu strikten und einer zu liberalen – und damit eine in der philosophischen Analyse von Wissenschaft und Lebenswelt brauchbare – Auffassung von natural kinds erreicht werden kann. Ich werde dazu die wichtigsten Vertreter der beiden genannten Denkweisen über natural kinds kritisieren (einerseits gegenwärtige Formen des Essentialismus und andererseits Boyds Theorie der „homeostatic property clusters“) und zeigen, in welcher Weise sie das philosophische Problem bezüglich natural kinds nicht lösen können.

Obwohl Boyds Theorie in der letzten Zeit unter Wissenschaftstheoretikern der Spezialwissenschaften stark an Popularität gewonnen hat, stößt sie auf ein grundsätzliches Problem: die Kriterien für die Zügehörigkeit einer Entität zu einer bestimmten natural kind und für die Bestimmung der Grenzen dieser natural kind, die sie liefert, sind zu schwach. Dieses Problem lässt sich beheben, so werde ich zeigen, durch Ergänzung der Boydschen Definitionen von natural kinds. Eine solche Ergänzung kann einen ‚natural kind’-Begriff liefern, der einen sinnvollen Mittelweg zwischen einer zu strikten und einer zu liberalen Auffassung davon, was natural kinds sind, repräsentiert.

Literatur

Boyd, Richard (1999): ‘Kinds, complexity and multiple realization’, Philosophical Studies 95: 67-98.

Churchland, Paul (1985): ‘Conceptual progress and word/world relations: in search of the essence of natural kinds’, Canadian Journal of Philosophy 15: 1-17.

Dupré, John (1993): The Disorder of Things: Metaphysical Foundations of the Disunity of Science, Cambridge (Mass.): Harvard University Press.

Ellis, Brian (2001): Scientific Essentialism, Cambridge: Cambridge University Press.

Quine, Willard V. (1969): ‘Natural kinds’, in: Nicholas Rescher (Hg.): Essays in Honor of Carl. G. Hempel, Dordrecht: Reidel, S. 5-23.

Russell, Bertrand (1948): Human Knowledge: Its Scope and Limits, London: George Allen and Unwin.

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Curriculum Vitae von Dr. Thomas Reydon

Studium:
  • Bis 1997: Physik, Wissenschaftsphilosophie (Leiden). Abschluss: M.Sc., M.A.
Promotion:
  • 2004: Das Artproblem in der Philosophie der Biologie (Leiden)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Leibniz Universität Hannover
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Philosophie der Biologie
  • Philosophie der Sozialwissenschaften
  • Allgemeine Wissenschaftsphilosophie
Berufliche Stationen:
  • 1999 - 2004: wissenschaftlicher Mitarbeiter (Leiden)
  • 2004 - heute: wissenschaftlicher Mitarbeiter (Hannover)
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