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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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Universitätsstr. 12
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FAQ

Sektionsredner

Dr. Michael Reder (München) - Curriculum Vitae
Religion in der Öffentlichkeit und die Vielfalt ihrer kulturellen Explikationen

Abstract

Religion ist wieder Thema öffentlicher Diskurse. Noch mehr: Sie ist auch selbst Akteur in diesen Diskursen. Nicht erst seit 9/11 ist diese Entwicklung europa- wie weltweit zu beobachten. Die politische Philosophie ist deshalb herausgefordert, die Frage nach der Religion und ihrer (welt-)gesellschaftlichen Verortung neu zu stellen. Dieser Diskurs über Religion bewegt sich dabei an der Schnittstelle zwischen politischer Philosophie und Religionsphilosophie. Insbesondere wird gefragt, wie Religion angesichts des lange betonten Phänomens der Säkularisierung heute sowohl in einer Innen- wie Außenperspektive interpretiert werden kann. Derrida, Vattimo, Rorty, Walzer oder Habermas sind exemplarische Akteure dieses Diskurses.

Der von diesen Autoren geführte Diskurs ist Ausgangspunkt dieses Beitrages. Hiervon ausgehend werden drei Anfragen an deren Deutung von Religion an der Schnittstelle von politischer Philosophie und Religionsphilosophie gestellt. Daran anschließend werden Lösungswege für diese kritischen Punkte skizziert.

Drei Anfragen an den aktuellen Diskurs über Religion:

(1) Erstens sind viele Religionsverständnisse, die im Diskurs der politischen Philosophie verwendet werden, auf die Weltreligionen enggeführt. Dabei wird übersehen, dass diese keine einheitlichen Gebilde sind als auch sich über die letzten Jahrzehnte hinweg viele neue kulturell-religiöse Mischformen herausgebildet haben. In dieser historischen Perspektive sind Säkularisierung und Postsäkularisierung auch keine scharf voneinander trennbaren Entwicklungen, weshalb besser von einer ‚erneuten Aufmerksamkeit gegenüber der Religion‘ gesprochen werden kann. Ein Religionsverständnis, das diese Entwicklungen verarbeiten will, sollte dabei v.a. diese Vielfalt religiöser Wirklichkeit betonen. Aus der Perspektive der politischen Philosophie geht es dabei v.a. darum, Religionen als ausdifferenzierte Sozialgebilde zu verstehen, die immer in einem engen Wechselverhältnis zur ihren kulturellen Prägungen stehen. Das Verhältnis von Religion und Kultur ist eine zentrale, aber oft zu wenig beachtete Perspektive für diese Reflexion.

(2) In einigen Ansätzen ist zweitens eine Reduktion der Religion auf ihre moralische Funktion impliziert. Dahinter steht eine in der Kantischen Tradition stehende, überbewertete Verbindung von Moral und Religion. Als Grundfrage der Religion zeigt sich demgegenüber auf einer grundlegenderen Ebene das dialektische Verhältnis von Transzendenz und Immanenz. Zwar kann die Deutung dieses Verhältnisses auch zu einer bestimmten moralischen Funktion der Religion führen, diese ist aber sozialphilosophisch betrachtet nur eine Funktion unter vielen. Eine Reflexion der Vielfalt des Religiösen spricht daher gehen eine moralische Funktionalisierungen (und gegen eine Engführung sozialphilosophischer Fragen auf ethische).

(3) Säkulare und religiöse Argumente innerhalb eines Bürgers wie auch innerhalb der Religionen als soziale Gebilde, können nicht so eindeutig getrennt werden, wie dies einige Autoren nahe legen. Die Grenzen verlaufen vielmehr soziologisch wie sprachtheoretisch fließend. Philosophisch betrachtet ist an dieser Abgrenzung von säkularen und religiösen Argumenten, die darin implizite Trennung von Glaube und Wissen eigens zu problematisieren. Es erscheint wenig plausibel, auf der Seite des säkularen Wissens ein (wenn auch nur formalen, aber doch) starken Vernunftbegriff in Anschlag zu bringen, so dass Glaube und Wissen nur noch als getrennte Modi des Geistes gedeutet werden können. Der Bereich des (öffentlich) Vernünftigen wird dann notwendigerweise zu scharf von dem scheinbar unverünftigen Bereich des (privaten) Glaubens geschieden und damit systematisch betrachtet sowohl das Wechselverhältnis von privatem und öffentlichem Bereich zu wenig beachtet und Religion als rein privates Phänomen letztlich unterbelichtet.

In Anlehnung an religions- und sozialphilosophische Überlegungen von Nicolaus Cusanus kann ein Religionsverständnis skizziert werden, das überzeugende Antworten auf diese genannten Begrenzungen geben kann. Dabei wird in negativ dialektischer Sicht eine stärkere Verschränkung von Glaube und Wissen herausgearbeitet, womit sowohl die Vernünftigkeit religiöser Aussagen in öffentlichen Diskursen als auch die erkenntnistheoretischen Grenzen (säkularer) Wissensaussagen betont werden. Religion kann im Zuge dessen als ein wissendes Nichtwissen über das Verhältnis von Transzendenz und Immanenz gefasst werden. Weil deshalb religiöse Aussagen immer auf ihre kulturellen Ausbuchstabierungen angewiesen sind, können mit diesem Verständnis sowohl kulturelle Prägungen von Religion thematisiert als auch Religion aus einem moralischen Reduktionismus befreit werden. Die daraus folgende Anerkennung der Vielstimmigkeit und Vernünftigkeit unterschiedlicher religiöser Äußerungen kann gerade aus einer weltgesellschaftlichen Perspektive für einen konstruktiven kulturellen Diskurs hilfreich sein.

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Curriculum Vitae von Dr. Michael Reder

Studium:
  • Bis 2000: Philosophie, Volkswirtschaft, Katholische Theologie (Hochschule für Philosophie, Eberhard-Karls Universität Tübingen, Université Miséricorde Fribourg/Ch.). Abschluss: Magister phil.; Diplom kath theol.
Promotion:
  • 2005: Globale Dynamik und relationale Theorien. Eine sozialphilosophische Reflexion des Global Governance-Paradigmas (Hochschule für Philosophie München)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Hochschule für Philosophie München
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Politische Philosophie (Universalismus - Partikularismus, systematische und angewandte Fragen globale Gerechtigkeit, Unternehmensethik)
  • Religionsphilosophie (Rolle der Religion in der politischen Öffentlichkeit, Religion und Kultur, Religion und Kunst)
  • Grundlage der Sozialwissenschaften (v.a. Gesellschaftstheorien)
Berufliche Stationen:
  • 200 - 2002: Wissenschaftlicher Assistent des Forschungs- und Studienprojektes "Globale Solidarität. Schritte zu einer neuen Weltkultur" (Rottendorf-Projekt)
  • 2003 - 2005: Promotionsstipendiat der Studienstiftung des Dt. Volkes
  • 2006 - heute: Dozent an der Hochschule für Philosophie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gesellschaftspolitik
Wichtigste Publikation(en):
  • Global Governance. Philosophische Modelle von Weltpolitik. Darmstadt 2006 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft).
  • Zusammen mit Josef Schmidt (Hrsg.), Bewusstsein von dem, was fehlt. Eine Diskussion mit Jürgen Habermas. Frankfurt/M. 2008 (Suhrkamp-Verlag; im Erscheinen) (eigener Beitrag darin zu: Wie weit Können Glaube und Vernunft unterschieden werden? Religionsphilosophische und ethische Anmerkungen).
  • Zusammen mit Julia Inthorn u.a. (Hrsg.), Zivilgesellschaft auf dem Prüfstand. Argumente, Modelle, Anwendungen. Stuttgart 2005 (Kohlhammer-Verlag) (darin eigener Beitrag zu: Anmerkungen der Renaissance zum Nachdenken über Zivilgesellschaft.)
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