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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Henning Peucker (Paderborn)
Die Grundlagen der praktischen Intentionalität

Abstract

Das wachsende Interesse an einem besseren Verständnis menschlichen Handelns hat dazu geführt, dass die Phänomenologie nicht mehr nur im Kontext von erkenntnistheoretischen Fragestellungen rezipiert wird. Dabei hat sich gezeigt, dass sich außer in der an Heidegger, Scheler oder Schütz anknüpfenden Phänomenologie bereits bei Husserl umfangreiche Überlegungen finden, die für handlungstheoretische Analysen fruchtbar sind. Im vorliegenden Beitrag sollen auf der Basis von Husserls Untersuchungen der Willensakte zwei Konzeptionen des Willens vorgestellt werden, die zum Verständnis der praktischen Intentionalität beitragen: Die eine (1) begreift den Willen als ein auf intellektiven Akten fundiertes Phänomen, während ihn die andere (2) als ein ursprüngliches Geschehen versteht, ohne das es zu theoretisch-intellektiven Akten gar nicht kommen könnte. Entgegen der in der phänomenologischen Forschung oft favorisierten Auffassung, argumentiert dieser Beitrag dafür, dass die erste Willenskonzeption von der zweiten nicht überholt wurde. //

Ad 1) Bereits in den Logischen Untersuchungen, vor allem aber in seinen Ethikvorlesungen von 1908–1914 hat Husserl Willensleistungen als doppelt fundierte Akte beschrieben, die in ihrer Konstitution erstens einen vorstellenden Akt voraussetzen, mit dem das Gewollte vorgestellt wird, und zweitens immer eine Wertung beinhalten, die das Vorgestellte erst zu einem positiv-wertigen Willensziel macht. Demgemäß setzt der Wille immer ein vorstellendes und ein wertendes Aktmoment voraus, die ihn beide als Gesamtphänomen fundieren. Husserl vertritt diese Willenskonzeption unabhängig von seiner Unterscheidung zwischen einem Entschlusswillen (fiat) und einem sich während des gesamten Handlungsablaufs durchhaltenen Handlungswillen. In systematischer Hinsicht knüpft diese Konzeption an Husserls Einteilung der Aktarten in intellektive, gemütsmäßige und volitive an, die ihrerseits Teil seiner umfassenden Theorie der Vernunft ist, gemäß der es bei allen Aktarten spezifische Modi der Richtigkeit oder Falschheit gibt. Die Richtigkeit des Willens hängt dann u.a. davon ab, ob das Gewollte auch in der richtigen Weise gewertet, bzw. überhaupt in der richtigen Weise vorgestellt wird, denn Wollen wird hier als ein im Vorstellen und Werten fundierter Akt begriffen; das Wollen bleibt hier damit gegenüber dem Primat des Vorstellens ein nachgeordnetes Phänomen. //

Kritisiert werden an dieser Theorie des Willens u.a. zwei Punkte. Erstens wird bemängelt, dass diese Konzeption zu statisch ist, um der Dynamik des Willenslebens gerecht zu werden, denn dies ist viel stärker von trieb- und gefühlsmäßigen Tendenzen als von der intellektiven Vorstellung eines Gewollten motiviert. Zweitens wird kritisiert, dass die Einteilung der Aktarten auf einer künstlichen Abstraktion beruht, die unserer lebensweltlichen Erfahrung nicht gerecht wird, da hierin die verschiedenen Aktmomente viel stärker ineinander verwoben sind, als es das statische Modell von aufeinander aufbauenden Fundierungsschichten nahelegt. //

Ad 2) Beide Defizite werden mit einer nach den Ideen I (1913) entwickelten Theorie des Willens behoben, die in Husserls genetische Phänomenologie des personalen Lebens eingebettet ist. Demgemäß ist das personale Leben auf seiner elementarsten Ebene von Gefühlen, Trieben, Instinkten und anderen, noch nicht auf ichliche Setzungen zurückgehenden Tendenzen bestimmt, die bei der Erklärung der Willensleistungen berücksichtigt werden müssen, da nur dann die Motivation der eigentlichen Willensakte verständlich wird. Der genetische Ursprung der Willensakte liegt demgemäß in vor-ichlichen subjektiven Tendenzen, die das höherstufige Ich affizieren und zu Aktsetzungen motivieren. Latente Vorbildungen eigentlicher Willensakte gibt es somit bereits in den Strebungen des ursprünglichen subjektiven Lebens, in dem sich keine klare Trennung von intellektiven, gefühls- und willensmäßigen Regungen vornehmen lässt, da diese sich immer wechselseitig durchdringen. Berücksichtigt man, dass gemäß Husserl auch Erkenntnisakte ihren genetischen Ursprung in der von praktischen Motiven durchzogenen Sphäre der vor-ichlichen Subjektivität haben, so ergibt sich mit dieser Konzeption ein genereller Primat des Praktischen. //

Trotz der von vielen Interpreten gerühmten Vorzüge der genetischen Phänomenologie will dieser Beitrag auf die Defizite der mit ihr verbundenen Willenskonzeption hinweisen. Dazu wird nachgewiesen, dass erstens Husserl sein früheres Fundierungsmodell des Willens trotz der späteren Entwicklung der genetischen Phänomenologie nie aufgegeben hat; dass zweitens der Zusammenhang zwischen der elementaren, vor-ichlichen Subjektivität und den höherstufigen eigentlichen Ichleistungen in der genetischen Phänomenologie ungeklärt ist; dass drittens Husserl insbesondere im Kontext von ethischen Fragen die Bedeutung von hochstufigen Willensleistungen, die sich auch gegen unser affektives Leben richten können, stets betont hat.

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