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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Andreas Niederberger (Evanston, IL, USA) - Curriculum Vitae
Was heißt „Herrschaft des Rechts“ (rule of law)?

Abstract

Die politische Philosophie der Moderne steht im Zeichen des Rechts und auch die aktuelle Politik ist – bei allen Abweichungen von dieser Tendenz in prominenten, insbesondere völkerrechtlich relevanten Einzelfällen – zweifelsohne auf die Verrechtlichung des sozialen Handelns ausgerichtet. Dabei verschränken sich funktionale Erwägungen hinsichtlich der effizienten und transparenten Organisation komplexer Ökonomien, Gesellschaften und Verwaltungen mit normativen Argumenten bezüglich der Bedingungen legitimer Herrschaftsausübung bzw. der Sicherung unveräußerlicher Grundrechte. Das Recht erweist sich als Medium, das das Handeln unter modernen Sozialverhältnissen zu steuern und kalkulierbar zu machen vermag und dabei zugleich sicherstellt, dass die Strukturierung des Handelns für normative bzw. rationale Anleitungen und Korrekturen offen ist. Selbst wenn es keinen Konsens darüber gibt, welche Elemente des Rechts, welche Institutionen/Verfahren bzw. welche Formen von Herrschaft zulässig, wünschenswert oder unverzichtbar sind, so gilt doch nahezu unbestritten, dass die Existenz von Verhältnissen öffentlichen Rechts eine normativ notwendige Bedingung für die Legitimität politischer Ordnung ist.

Eine solche Beschreibung der Konvergenz in der Forderung nach der „Existenz von Verhältnissen öffentlichen Rechts“ übersieht jedoch, dass diese Forderung nicht unabhängig von jeweiligen Bestimmungen von Elementen des Rechts, Institutionen/Verfahren und Herrschaftsformen erhoben werden kann. Solche „Verhältnisse“ lassen sich nicht derart abstrakt begreifen, dass sie durch die „Elemente“, „Institutionen/Verfahren“ bzw. „Herrschaftsformen“ lediglich konkretisiert würden. „Verhältnisse öffentlichen Rechts“ bestehen vielmehr wesentlich darin, dass eine Form der Herrschaft besteht, in der das Recht in seiner Kompetenz, abstrakte Prinzipien und Normen mit Einzelfällen in Verbindung zu setzen, durch und in Institutionen und Verfahren faktisch zur Geltung gebracht wird. Es ist also notwendig, eine (normative) Bestimmung der „Herrschaft des Rechts“ (mit der doppelten Bedeutung des Genitivs, also der Einsetzung des Rechts als Medium und Form der Herrschaftsausübung und der Bindung der Herrschaftsausübung an das Recht) im Sinn einer „rule of law“ zu entwickeln.

In diesem Vortrag wird zunächst dargestellt, dass sich zentrale Positionen des gegenwärtigen Diskurses der politischen Philosophie und der Rechtsphilosophie (etwa Dworkin, Rawls) zu ausschließlich auf Fragen der normativen Rechtsgeltung konzentrieren und daher den Zusammenhang zwischen normativer und faktischer Rechtsgeltung vernachlässigen. Dabei wird gezeigt, dass dieser Zusammenhang nicht im Sinn eines Zweischritts von Grundlegung und Applikation zu verstehen ist, sondern im Begriff des Rechts (im Unterschied zu bloß moralischen Verpflichtungen, Konventionen oder beobachtbaren Regularitäten) selbst liegt. Normative Überlegungen zu Rechtsprinzipien oder -normen bzw. Verfahren und Teilhabebedingungen an Verfahren, in denen die Prinzipien und Normen generiert oder „entdeckt“ werden, müssen folglich mit normativen Überlegungen zur Gestaltung des Gesamtgefüges politischer Institutionen und ihrer Wirkungsweisen verbunden werden. Bei den genannten Positionen ist dagegen zu konstatieren, dass die einseitige Konzentration zu normativen Widersprüchen führt.

Im zweiten Teil des Vortrags werden Theorien einer „Herrschaft des Rechts“ (u.a. von Tamanaha, Kramer, Holmes, Habermas etc.), die in den letzten Jahren vorgelegt wurden, typologisiert und hinsichtlich ihrer jeweiligen zentralen Argumente kurz diskutiert. Hierbei zeigen sich insbesondere vier Punkte, an denen sich fundamentale Differenzen zwischen den Ansätzen festmachen lassen: erstens die Rolle von Gerichten und Richtern für eine politische Ordnung, zweitens die Bedeutung der Erzwingbarkeit und faktischen Durchsetzung des Rechts, drittens verschiedene Modelle der Gewaltenteilung oder Gewaltengliederung und viertens die Unterscheidung zwischen regulativen und konstitutiven Funktionen des Rechts. In der Sichtung der existierenden Ansätze wird jedoch ersichtlich, dass es bislang keinem von ihnen gelingt, die „rule of law“ umfassend überzeugend zu explizieren.

Im letzten Teil des Vortrags wird daher ein eigener Ansatz in Umrissen vorgestellt. Dieser Ansatz kombiniert demokratische Verfahren der Gesetzgebung mit einer ausschließlich „rechtsstaatlichen“ (und d.h. im strikten Sinn an das demokratisch gesetzte Recht gebundenen) Organisation der Herrschaftsausübung und sichert die Bedingungen zur Teilhabe an der Gesetzgebung bzw. zur Kontrolle der Rechtsstaatlichkeit durch Befähigungsleistungen und -ansprüche. Vor diesem Hintergrund endet der Vortrag mit einer Neubestimmung der Verhältnisse zwischen Recht, Politik und Moral sowie der Aufgaben von Rechtsphilosophie und politischer Philosophie zwischen Grundlegung und Applikation bzw. in der Auseinandersetzung mit anderen Disziplinen wie der Rechtswissenschaft oder der Politikwissenschaft.

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Curriculum Vitae von Dr. Andreas Niederberger

Studium:
  • Bis 1998: Philosophie, Soziologie, Romanische Sprachwissenschaft (Frankfurt am Main, Paris I). Abschluss: MA
Promotion:
  • 2002: Kontingenz und Vernunft. Grundlagen einer Theorie kommunikativen Handelns im Anschluss an Habermas und Merleau-Ponty (Frankfurt am Main)
Habilitation:
  • Demokratie unter Bedingungen der Weltgesellschaft? Normative Grundlagen legitimer Herrschaft in einer globalen politischen Ordnung (Frankfurt am Main (eingereicht Nov 2007))
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Northwestern University
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Politische Philosophie/Rechtsphilosophie (Demokratietheorie, Internationale Beziehungen, Kosmopolitanismus)
  • Handlungstheorie (Theorien kollektiver Intentionalität)
  • Phänomenologie
Berufliche Stationen:
  • Januar 1999 - Mai 2002: Wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • Mai 2002 - August 2006: Wissenschaftlicher Assistent
  • September 2006 - August 2008: DAAD Visiting Professor
Wichtigste Publikation(en):
  • Kontingenz und Vernunft. Grundlagen einer Theorie kommunikativen Handelns im Anschluss an Habermas und Merleau-Ponty, Freiburg/Brsg.: Alber 2007
  • "Konstitutionalismus und Globale Gerechtigkeit in der Theorie Transnationaler Demokratie", in: Regina Kreide, Andreas Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung. Nationale Demokratien im Kontext globaler Politik, Frankfurt/Main, New York: Campus 2008
  • "Europe From a Cosmopolitan Point of View: Can the European Union Fulfill the Requirements For a Transnational Democracy?", in: Eurostudia 3 (2006), S. 87-104
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