Sektionsredner
Dr. Arne Moritz (Halle) - Curriculum Vitae
Was kaufen wir, wenn wir 250g Fair Trade Kaffee kaufen? Zur politischen Ontologie ökonomischer Güter
Abstract
Der Beitrag befasst sich mit der Frage, was Konsumenten eigentlich kaufen, wenn sie ein „fair“ gehandeltes Produkt (im Unterschied zu einem konventionell gehandelten Produkt) kaufen. Es soll darauf hingewiesen werden, dass verschiedene Antworten auf diese Frage von verschiedenen Ontologien abhängen. Ontologien werden dabei im Sinne grundlegender Bestimmungen darüber verstanden, Gegenstände welcher Art ökonomische Güter sind und Eigenschaften welcher Art solche Gegenstände besitzen.
I) Es werden zunächst folgende Antworten, respektive Ontologien unterschieden:
Antwort 1: Der Käufer kauft dasselbe Produkt und bezahlt eine Preis-Prämie. Die Ontologie der Güter ist orientiert an „materiellen“ Eigenschaften und an deren Effekten auf den Konsumenten.
Antwort 2: Der Käufer kauft ein (anderes) Produkt, das zusätzliche, „ideelle“ Effekte besitzt (er kauft denselben „materiellen“ Kaffee und bspw. die psychische Befriedigung „moralisch“ gehandelt zu haben). Die Ontologie der Güter wird um diejenigen Eigenschaften von Gütern erweitert, welche die fraglichen Zusatzeffekte hervorbringen.
Antwort 3: Der Käufer kauft ein (anderes) Produkt, das Effekte auf das materielle und ideelle Wohlergehen des Produzenten hat (er kauft denselben „materiellen“ Kaffee und beispw. die Vermeidung von Krankheit und Schmerz beim Produzenten). Die Ontologie der Güter wird um solche Eigenschaften erweitert, die Wirkungen auf das Wohlergehen des Partners im ökonomischen Tausch (und: dritter Parteien) haben.
II) Es ist nun hervorzuheben, dass die drei verschiedenen Antworten verschiedene normative Beurteilungen des Fair-Trade-Konsums nahe legen. Im Falle von 1) werden wir diesen vermutlich als supererogativ bewerten, im Falle von 2) vielleicht sogar als moralisch fragwürdig, im Falle von 3) möglicherweise als von der Gerechtigkeit unbedingt geboten. Wenn aber die drei verschiedenen Antworten von verschiedenen Ontologien abhängen, dann auch diese verschiedenen normativen Beurteilungen – und damit alle unsere daraus folgenden politischen Überlegungen zu Institutionen im (internationalen) Handel, in der Grundordnung unserer Ökonomie überhaupt. Daraus folgt, dass nun unsere ökonomische Ontologie selbst zum Gegenstand normativer Bedenken wird.
III) Der dritte Teil des Beitrags entfaltet dies als methodisch unkomfortable Situation. Die Einführung einer der drei Ontologien kann zwar aufgrund verschiedener Kriterien begründet werden (bspw. Kohärenz im Ganzen einer ökonomischen Theorie, Einfachheit, Empirie von Konsumenteneinstellungen). Dies bleibt jedoch angesichts der normativen Last, dass entsprechende Kriterien wiederum letztlich über unsere normative Beurteilung bestimmen, unbefriedigend. Es wird vorgeschlagen, dass wir in dieser Situation auf externe, wiederum normative Überlegung zurück greifen müssen, um zwischen den verschiedenen Ontologien zu entscheiden, indem wir diejenige wählen, welche unserer, externen normativen Beurteilung am besten entspricht. Dies erscheint weniger problematisch, wenn wir die Annahme einer kategorischen Trennung faktischer und normativer Überzeugungen, die fact-value-dichotomy (Putnam), aufgeben. Unsere ökonomische Ontologie ist immer normativ informiert.
Curriculum Vitae von Dr. Arne Moritz
- Philosophie, Geschichte, Germanistik (Freiburg i.Br., Hildesheim)
- 2005: Explizite Komplikationen. Der radikale Holismus des Nikolaus von Kues. (Halle-Wittenberg)
- MLU Halle-Wittenberg
- "Gerechte" Preise
- Nikolaus von Kues
- Religion und Politik
- wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Halle
- Research Associate, University of Cambridge