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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Hannes Ole Matthiessen, M.A. (Frankfurt am Main) - Curriculum Vitae
Ein Problem für McDowells epistemologischen Disjunktivismus

Abstract

Traditionelle Täuschungsargumente gegen den direkten Realismus gehen von der schwer zu leugnenden Tatsache aus, dass mitunter das Getäuschtwerden über eine Tatsache von der Wahrnehmung einer Tatsache subjektiv nicht zu unterscheiden ist. Somit ist es plausibel anzunehmen, das Subjekt befände sich in beiden Fällen in derselben Art von wahrheitsneutralem mentalen Zustand (dem der „perzeptuellen Erfahrung“). Das Haben dieses mentalen Zustands kann aber – auch in den guten Fällen veridischer Wahrnehmung – niemals unmittelbar die Tatsachen erfassen, da es mit dem Nichtvorliegen des wahrgenommen Sachverhalts vereinbar ist.

Mit McDowells disjunktiver Analyse des Erfahrungsbegriffs lässt sich bestreiten, dass es sich bei perzeptuellen Erfahrungen um Instanzen einer bestimmte Gattung mentaler Zustände handelt, die also als Element auch in veridischer Wahrnehmung vorkommen. Vielmehr kann dieser Begriff als ein wesentlich disjunktiver verstanden werden:

(a) Wenn eine Person eine perzeptuelle Erfahrung dass p hat dann

(b) manifestiert sich gegenüber dieser Person die Tatsache dass p oder

(c) es erscheint der Person lediglich so als ob p.

Dieses Modell vereinigt einen Disjunktivismus bezüglich perzeptueller Erfahrungen (d.h. der Begriff der perz. Erfahrung ist essentiell disjunktiv; es gibt keine Spezifikation seines Gehalts unabhängig von dem Verweis auf (b) und (c)) mit einem nicht-konjunktiven Modell der Wahrnehmung (d.h. veridische Wahrnehmung ist nicht zusammengesetzt aus einem wahrheitsneutralen mentalen Zustand plus einer adäquaten Situation in der Realität).

Ich möchte in meinem Vortrag ein Gegenbeispiel gegen McDowell's Modell des epistemologischen Disjunktivismus anführen und diskutieren. Ohne zu wissen, dass in dem Landstrich, durch den er fährt eine große Anzahl von täuschend echt aussehenden Scheunenfassaden steht, betrachtet Henry die einzige echte Scheune in der Gegend. Die Frage, ob Henry wissen kann, dass dort eine Scheune steht, würden wir negativ beantworten, da in dieser Landschaft das Urteilen über ein scheunenähnliches Objekt von der Straße aus in der Regel zu falschen Überzeugungen führt, Henry also keine zuverlässige Methode anwendet, und es allein dem Zufall zu verdanken ist, dass seine Überzeugung in diesem Falle wahr ist.

Versucht man nun, diesen Fall in das Schema des epistemologischen Disjunktivismus einzuordnen, ergibt sich folgendes Problem: Offensichtlich handelt es sich um einen Fall von (a): Henry hat die Wahrnehmungserfahrung dass dort eine Scheune steht. Dies impliziert dass entweder (b) oder (c) erfüllt ist. Es ist aber weder der Fall, dass sich die Tatsache dass dort eine Scheune steht Henry gegenüber manifestiert (denn dann müsste er sie wissen können), noch handelt es sich um eine bloße Erscheinung.

Offenbar gibt es drei Möglichkeiten, zur Verteidigung des epistemologischen Disjunktivismus auf dieses Problem zu reagieren, die ich in meinem Vortrag ausführlicher behandeln und alle zurückweisen werde:

Zuerst könnte man versuchen, zu leugnen, dass man – in dem Kontext, in dem die Geschichte angesiedelt ist – sinnvoll davon sprechen kann, dass es Henry so erscheint, als wäre dort ein Schuppen. Ich werde zeigen, das dieser Weg nicht erfolgversprechend ist.

Zweitens könnte man argumentieren, dass sich Henry gegenüber eine Tatsache manifestiert. Dazu müsste die Verbindung von Tatsachenwahrnehmung und Wissen jedoch in einer Weise aufgelöst werden, die für den epistemologischen Disjunktivismus fatal wäre.

Zuletzt wäre zu prüfen, ob sich (c) in einer Weise reformulieren lässt, die auf Henrys Situation zutrifft. Tatsächlich gibt es in einem jüngst erschienenen Aufsatz von McDowell einen Ansatz dafür: Um die kontrafaktische Implikation der „bloßen Erscheinung“ zu vermeiden, kann man (c) als einen Fall beschreiben, in dem es dem Subjekt lediglich so scheint, als könnte es perzeptuell Wissen dass p. Auf diese Weise könnte zwar Henrys Erscheinung erklärt werden, es würde aber der Begriff der perzeptuellen Erfahrung darüber hinaus auf perfekte Illusionen und Halluzinationen beschränkt werden, was nicht wünschenswert ist.

Als mögliche Lösung dieses Problems bietet sich die Einführung eines dritten Disjunktionsgliedes an. Spätestens hier wird aber deutlich, dass der essentielle Disjunktivismus nicht haltbar ist: Um zu entscheiden, welche Fälle unter den Begriff der Erfahrung fallen sollen, ist ein vorrangiges Verständnis des Erfahrungsbegriffs vonnöten. Ich werde argumentieren, dass der Begriff der Wahrnehmungserfahrung über die Ähnlichkeit dieser mentalen Zustände zu veridischen Wahrnehmungen zu spezifizieren ist. Damit wird der essentielle Disjunktivismus aufgegeben, ein nicht-konjunktives Modell der Wahrnehmung kann aber verteidigt werden, da das Haben eines wahrnehmungsähnlichen Zustandes kein Element einer veridischen Wahrnehmung ist, dessen Vorliegen direkten Faktenbezug in Frage stellt.

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Curriculum Vitae von Hannes Ole Matthiessen, M.A.

Studium:
  • Bis 2006: Philosophie und Kulturanthropologie (Humboldt-Univ. Berlin, Lomonosov-Univ. Moskau, Goethe-Univ. Frankfurt). Abschluss: Magister Artium
Promotion:
  • 2011: Direkter Realismus und die disjunktive Konzeption perzeptueller Erfahrung (Goethe-Univ. Frankfurt am Main)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Johann Wolfgang Goethe-Universität
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Philosophie der Wahrnehmung
  • Epistemologie
  • Anfechtbare Begriffe
Berufliche Stationen:
  • 2007 - 2010: Wiss. Mitarbeiter
Wichtigste Publikation(en):
  • Seeing and Hearing directly (European Review of Philosophy 7)
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