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FAQ

Sektionsredner

Dr. Susanne Lettow (Wien, A) - Curriculum Vitae
Technik und Körper. Elemente einer praxeologischen Technikphilosophie

Abstract

Technik und Körper. Elemente einer praxeologischen Technikphilosophie

Der menschliche Körper als Dimension technischen Handelns, als Medium und zunehmend auch als Artefakt ist in Technikphilosophien bisher nur am Rande thematisiert worden. Wo er, wie in Arnold Gehlens These von der Technik als Organersatz, Organverstärkung und Organentlastung dennoch im Zentrum stand, wurde er als invariante Gegebenheit betrachtet. Grundlegende Kompetenzen und Mängel „des Menschen“ schienen dabei im Körper universell festgelegt und Motor einer kulturell und gesellschaftlich unspezifischen Technikentwicklung zu sein. Eine solche anthropologische Perspektive auf den Körper bzw. seine Ausblendung erweisen sich aber insbesondere beim Versuch, jene Technologien begrifflich zu fassen, die Körper und Körperstoffe als technische Mittel einsetzen und intentional auf eine Modifikation von Körpern ausgerichtet sind, als defizitär. Denn die Brisanz dieser Technologien liegt gerade in der systematischen De- und Rekonfiguration körperlicher Einheiten. Biotechnologien, vor allem Gen- und Reproduktionstechnologien aber auch Bio-Nanotechnologien und Neurotechnologien setzen daher eine körpertheoretische Reflexion in der Technikphilosophie auf die Tagesordnung. Diese These soll im geplanten Beitrag in einer praxeologischen Perspektive entwickelt werden, die Technik ausgehend von situierten technischen Praxen und Körperlichkeit als Dimension von Handlungsfähigkeit betrachtet. Dabei rekonstruiere ich zunächst die handlungstheoretischen Grundannahmen der Aktor-Netzwerk-Theorie (Bruno Latour), der kulturalistischen Technikphilosophie (Armin Grunwald) und der pragmatistischen Techniktheorie (Werner Rammert). Ich argumentiere, dass in diesen Ansätzen die körperliche Dimension technischer Praxen der Entwicklung, der Herstellung und des Gebrauchs von Technik nur unzureichend gefasst wird. Auch technische Artefakte und Medien werden daher nicht in Hinblick auf Prozesse der Modellierung und Formierung von Körpern, an denen sie teilhaben, thematisiert.

Bei Latour ist dies insbesondere einem Konzept von Handlungsträgerschaft (agency) geschuldet, das Handeln auf Wirken reduziert. Denn als „Aktanten“ gelten alle Entitäten – seien es Institutionen, Menschen, Tiere oder Dinge –, die in Wirkungszusammenhängen stehen. Die Spezifik menschlicher Körper und Körperpraxen aber ist damit grundsätzlich desarktikuliert. Grunwald hingegen versteht Technik zwar primär aus menschlicher Praxis und Technikphilosophie als Handlungstheorie doch wird hier der Handlungsbegriff rationalistisch verkürzt. Indem Grunwald technisches Handeln als zweckrationales Handeln fasst, blendet auch er die körperlichen Dimensionen technischer Praxen aus. Rammert wiederum plädiert gegen einen rationalistischen Zuschnitt von Technikphilosophie, der mit der Orientierung an Zweck - Mittel-Relationen verbunden ist, für eine Orientierung an Medien-Form-Relationen. Dies hat zur Folge, dass sich seine Techniktheorie auch in körpertheoretischer Hinsicht als offener erweist, da er auch den Körper als Medium begreift. Doch obwohl Rammert der „Verkörperung von Technisierungsprozessen“ durchaus Bedeutung zumisst, fasst er darunter allein Formen der Habitualisierung, also Körpertechniken im engeren Sinn. Körper und Körperstoffe als technische Medien und Artefakte werden auch hier nicht theoretisch reflektiert.

Von diesen Befunden ausgehend schlage ich im abschließenden Teil meines Beitrags vor, ein erweitertes Körperverständnis, das Elemente der Körpertheorie von Maurice Merleau-Ponty und der an Foucault anknüpfenden Gender Studies aufnimmt, für die Technikphilosophie fruchtbar zu machen. Denn Merleau-Ponty versteht den Körper nicht nur als grundlegende Dimension des Handelns sondern auch als in sozialen Zusammenhängen und historisch-spezifischen Naturverhältnissen situiert. Technisches Handeln und Modifikationen des Körpers, die durch dieses induziert sind, stehen somit immer schon in einem historisch-spezifischen gesellschaftlichen Horizont und sind eng mit anderen Praxen des Umgangs mit menschlicher und nicht-menschlicher Natur verwoben. In einer eher mikrologische Perspektive, die hieran anschließt, können zudem Machtverhältnisse in den Blick genommen werden, in denen Körper in historisch-spezifischen Praxen kulturell, sozial und also nicht zuletzt geschlechtlich formiert werden. Damit wird es möglich, auch Technisierungsprozesse als Prozeduren der Konstitution und Formierung von Körpern, die nicht zuletzt in sedimentierten gesellschaftlichen Machtstrukturen unterschiedlich positioniert sind, zu begreifen. Die technischen Modifikationen von Körpern und Körperstoffen, wie sie die Biotechnologien der Gegenwart hervorbringen, erscheinen so als Elemente von Körperpraxen und –politiken.

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Curriculum Vitae von Dr. Susanne Lettow

Studium:
  • Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie (FU Berlin)
Promotion:
  • 2000: Die Macht der Sorge. Die philosophische Artikulation von Geschlechterverhältnissen in Heideggers 'Sein und Zeit' (FU Berlin)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Institut für die Wissenschaften vom Menschen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Biophilosophien und Biopolitiken
  • Philosophische Geschlechterforschung
  • Wissenschafts- und Technikphilosophie
Berufliche Stationen:
  • 2008: Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen
Wichtigste Publikation(en):
  • Die Macht der Sorge. Die philosophische Artikulation von Geschlechterverhältnissen in Heideggers 'Sein und Zeit'. Tübingen 2001
  • Biophilosophien. Wissenschaft, Technologie und Geschlecht im philosophischen Diskurs der Gegenwart (erscheint 2009)
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