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FAQ

Sektionsredner

Dr. Justus Lentsch (Bielefeld)
Ist „Wertfreiheit“ ein Wert in der Wissenschaft?

Abstract

Zahlreiche Fälschungsskandale in jüngerer Zeit haben den Wissenschaftsbetrieb ins Gerede kommen lassen. – Erinnert sei nur an Fälle wie den des koreanischen Stammzellforschers Hwang Woo-Suk, den Betrug von Jan-Hendrick Schön oder den Fall Brach/Hermann, der Auslöser für die Formulierung eines Kodex guter wissenschaftlicher Praxis durch die DFG war. Hinzu kommen Fälle, die zwar nicht als Betrug im engeren Sinne, wohl aber als „tendentiöse Wissenschaft“, deren Urteile partikularen Interessen verpflichtet sind, anzusehen sind (dazu u.a. Krimsky 2003 oder Resnik 2007). Nicht nur verstoßen alle diese Fälle gegen das Ethos der Wissenschaft, sondern scheinen auch auf ein massives „Kontrollproblem“ und damit auf das Versagen der wissenschaftsinternen Institutionen der Qualitätssicherung hinzuweisen. All dies wirft die grundlegende Frage auf, ob und inwiefern Wertfreiheit wirklich noch einen Wert in der Wissenschaft darstellt. Die Antwort, die ich in diesem Vortrag versuchen möchte, lautet: „Wertfreiheit ist nur von begrenztem Wert in der Wissenschaft!“ Das Ideal der Wertfreiheit hat zwar seinen Platz in der Praxis der Wissenschaft, antwortet aber nicht auf die o.g. Probleme. Ich werde dies ausführen, in dem ich auf einen speziellen Begründungszusammenhang des Prinzips der Wertfreiheit eingehe.

Begründungen der Wertfreiheit als ein regulatives Ideal in der Wissenschaft gehen vielfach davon aus, dass es möglich ist, eindeutig zwischen epistemischen Werten und methodologischen Normen auf der einen Seite und nicht-epistemischen Werten auf der anderen Seite zu trennen. Ausgehend von der These, dass eine solche Trennung zwischen epistemischen und nicht-epistemischen Werten möglich sei, wird dann argumentiert, dass ein Aufgeben der Trennung verheerenden Folgen auch für das kognitive Unterfangen Wissenschaft zeitigte.

Bezug nehmend auf eine ältere Debatte in den 1950ern und 1960ern, die durch einen Artikel von Richard Rudner „The Scientist Qua Scientist Makes Value Judgements“ in der Zeitschrift Philosophy of Science (1953) ausgelöst wurde, stellen jüngere Autoren wie Philip Kitcher oder Heather Douglas allerdings gerade dies in Frage: Sie argumentieren, dass sich diese Trennung nicht durchhalten lässt und treten für die konstitutive Rolle von sozialen und politischen Werten auch für das kognitive Unterfangen Wissenschaft ein.

Die Integrität des Wissenschaftssystems soll dann dadurch sicher gestellt werden, dass Rechenschaft über die eingegangen Wertentscheidungen abgelegt und eine offene Debatte geführt wird. Wertfreiheit wird dann nicht dem einzelnen Wissenschaftler abverlangt, sondern ist eine Eigenschaft, die sich erst auf der Ebene der wissenschaftlichen Gemeinschaft zeigt. Hergestellt werden soll sie durch Pluralität und gegenseitige Kritik (vgl. z.B. Longino 2002). Folgt man dieser Argumentation, dann wird allerdings, so lässt sich einwenden, wird die Frage der Integrität der Wissenschaft eine der Unterscheidung zwischen „legitimen“ und „illigitimen“ Wertentscheidungen. Tendentiöse wissenschaftliche Urteile wären dann eben auch nur Resultat einer „Wertentscheidung“.

In diesem Vortrag werde ich insbesondere auf das Problem der tendentiösen Wissenschaft eingehen. Im Anschluss an Ansätze der sozialen Erkenntnistheorie werde ich argumentieren, dass die o.a. Probleme angemessen nicht als illegitime (individuelle) Wertentscheidungen oder aber als Verstoß gegen ein Ethos verstanden werden können, sondern nur auf der Ebene der Institutionen der Wissenschaft (wie peer review; Finanzierung). Dazu werde ich zuerst die bereits genannte Debatte um den Aufsatz von Rudner diskutieren. Dann werde ich einige Beispiele aus dem Bereich der „regulativen Wissenschaft“ und der Risikobewertung diskutieren.

Ausgehend davon werde ich für das folgende Konditional argumentieren: Wenn es solche verzerrenden Einflüsse in der Wissenschaft geben sollte, die sich in „tendentiöser Forschung“ oder „Bias“ manifestieren, dann sind diese zu gering, um folgenlos zu bleiben. In diesem Sinne ist das Ideal der Wertfreiheit als Wert leider nur von begrenztem Wert in der Wissenschaft!

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