Kontakt: Universität Duisburg-Essen, Institut für Philosophie, Stichwort: Kongress 2008, Universitätsstr. 12, 45117 Essen - Tel.: 0201/183-3486, E-Mail: infodgphil2008.de
Sektionsredner

Eine Auflistung der Sektionsredner finden Sie in alphabetischer Sortierung unter nachfolgendem Link


Verzeichnis der Sektionsredner

Download Programm

Unter folgendem Link können Sie sich das Gesamtprogramm als PDF (1 MB) herunterladen: Download PDF.

Kontakt

Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

Institut für Philosophie
Stichwort: Kongress 2008
Universität Duisburg-Essen
Universitätsstr. 12
45117 Essen

Häufig gestellte Fragen

Sollten Sie Fragen haben, schicken Sie eine E-Mail an info dgphil2008.de. Möglicherweise finden Sie auch bei den häufig gestellten Fragen eine Antwort.


FAQ

Sektionsredner

Lars Leeten, M.A. (Berlin) - Curriculum Vitae
Die versteckte erste Person. Assertorische Urteile als individuell freie Handlungen

Abstract

Wenn eine Person urteilt, dass p, so macht sie nicht nur eine Aussage über die Welt; sie gibt auch an, wofür sie als Person einsteht. In diesem Sinne sind assertorische Urteile freie Handlungen und Ausdruck des Selbstverständnisses einer ersten Person. In dem Beitrag soll herausgearbeitet werden, wie dies zu denken ist.

1. Mit dem Urteil „x ist F“ drückt eine Person aus, was sie für wahr hält. Sie sagt damit soviel wie „Ich bin der Überzeugung, dass x F ist“. In der Aussage „x ist F“ ist die erste Person nicht eigens indiziert. Gleichwohl hat sie nur dadurch assertorischen Sinn, dass es einen Autor gibt, der in einem „Raum der Gründe“ einen entsprechenden Geltungsanspruch erhebt. Ein Urteil „x ist F“ kann also als freie Handlung gedacht werden, die einer Person zuzurechnen ist. Man kann sich dies dadurch vergegenwärtigen, dass man – entgegen der deflationistischen Lesart – Zusätze wie „Ich glaube …“ gedanklich beibehält. Der Ausgangspunkt der Beschreibung ist dann nicht das Urteil „x ist F“, sondern die komplexere Aussage „Ich urteile, dass x F ist“.

2. Die Aussage „Ich urteile, dass x F ist“ ist eine Aussage in der Form der ersten Person und als solche eine Selbstzuschreibung. Einer verbreiteten Analyse zufolge ist diese als Aussage des Sprechers über sich selbst zu verstehen; das Pronomen „ich“ greift den Bezugsgegenstand heraus und das Prädikat „urteilt, dass x F ist“ beschreibt ihn. Diese Sichtweise gerät aber in Schwierigkeiten, wie etwa Anscombe und S. Rödl gezeigt haben: Erstens liegt der Aussage „Ich urteile, dass F(x)“ keine Identifikation zugrunde. Zweitens ist in ihr nicht nur von einem Urteilen die Rede, sondern sie ist selbst ein solches Urteilen. Es ist daher angemessen, den Zusatz „Ich urteile …“ als Index einer Handlung anzusehen und die Aussage „Ich urteile, dass F(x)“ als Akt der Stellungnahme (Tugendhat). Mit der Charakterisierung „urteilt, dass F(x)“ beschreibt eine Person nicht ihre Eigenschaften; sie weist aus, wofür sie einsteht. Die referentiell-deskriptive Deutung eliminiert diesen normativen Sinn der „ich“-Perspektive.

3. Damit ist ein Anhaltspunkt gewonnen, inwiefern ein assertorisches Urteil als freie Handlung aufzufassen ist: Im Urteil „x ist F“ zeigt sich, für welche Urteilsweisen die Person einsteht und wie sie Stellung nimmt. In diesen Urteilen gewinnt das Denken dieser Person – ihre „kognitive Identität“ – Kontur. Die nicht-deskriptive Art der Selbstcharakterisierung kann als primär angesehen werden – insbesondere, wenn die Cartesische These der „Transparenz des Selbst“ in Zweifel gezogen wird. Auf dieser Basis lässt sich die Freiheit des Urteilens präziser beschreiben.

4. Allgemein ist diese Freiheit als Selbstbindung aufzufassen. Urteilt eine Person, dass F(x), so geht sie eine kognitive Verpflichtung ein. Da das Urteil aus der aktiven Denktätigkeit der Person hervorgeht – also eine Handlung dieser Person ist –, bleibt diese im Urteilen frei. Macht die Person z.B. die Aussage „Ich bin überzeugt, dass F(x)“, so ist dies keine Beschreibung von außen (etwa einer Person, die nicht umhin kann, diese Überzeugung zu akzeptieren), sondern seinem Sinn nach der Vollzug der entsprechenden Urteilshandlung.

5. Dass sich im Urteilen das Handeln einer individuellen Person manifestiert, lässt sich jedoch nur geltend machen, wenn es so etwas wie Entscheidungsfreiheit gibt. Andernfalls wird der Freiheitsbegriff intellektualistische Bedeutung haben. Sofern das Urteilen formal als prädikatives Urteilen konzipiert wird, ist ein Ort für Entscheidungen zunächst nicht vorgesehen. Wie also kann die Person im Urteilen nicht nur als rationales Wesen, sondern auch als Individuum frei sein? Eine Antwort kommt in Reichweite, wenn berücksichtigt wird, dass das Urteil im besonderen Fall sprachlich bestimmt ist: Die Person projiziert auf Basis ihres Grundverständnisses sprachliche Formen auf einen neuen Fall. Diese Leistung ist nicht von Regeln ableitbar, wie sich mit Wittgenstein zeigen lässt. Es handelt sich um eine eigenständige Darstellungsleistung. In der jeweiligen sprachlichen Gestalt des Urteils zeigt sich die Produktivität einer ersten Person an.

6. Vor diesem Hintergrund kann ein Urteil „x ist F“ in seiner jeweils bestimmten Gestalt als freie Handlung eines Individuums aufgefasst werden. Es steht im weiteren Horizont eines normativen Raums, in dem Personen mit eigenständigem Verständnis aus ihrer jeweiligen „ich“-Perspektive urteilen. In diesem Horizont spielt die normative Selbstcharakterisierung der Beteiligten stets eine Rolle; Weltverständnis und Selbstverständnis lassen sich letztlich nicht separieren. Daraus resultiert, dass sich die Idee eines rein rationalen, rhetorikfreien Argumentierens nicht aufrechterhalten lässt. Es ist im Gegenteil eine Aufgabe, dem nicht-diskursiven Moment, das sich mit der individuellen Freiheit des Urteilens ergibt, einen Platz im normativen Raum zu geben.

  • nach oben
  • zum Kalender

Curriculum Vitae von Lars Leeten, M.A.

Studium:
  • Philosophie, Germanistik, Semiotik (Universität Osnabrück, Technische Universität Berlin)
Promotion:
  • 2007: Zeichen und Freiheit. Zur Bestimmung interpretativer Verantwortung (TU Berlin)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Technische Universität Berlin
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Sprachphilosophie
  • Erkenntnistheorie
  • Ethik
Berufliche Stationen:
  • 2005 - 2006: XX. Deutscher Kongress für Philosophie
  • 2007 - 2008: TU Berlin, Lehrbeauftragter für Philosophie
  • nach oben
  • zum Kalender