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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Frauke Kurbacher (Berlin)
Was ist Haltung?

Abstract

Was ist Haltung?

Überlegungen zu einer Theorie von Haltung im Hinblick auf Interindividualität

In Haltungen sind handlungsorientiert und erkenntniskritisch Selbst- und Weltbezüge intersubjektiv, interpersonell und interindividuell thematisiert, deren Vollzug ihre Konstituenten wie Ich, Anderer, Andere, Subjekt und Person allererst performativ auftauchen läßt. Gleichzeitig stellt sich im Hinblick auf eine Philosophie der Verantwortung die Frage, wenn menschliches Bezogensein immer habituell zu verstehen ist, welche Haltung grundlegend dafür gewählt werden soll. Im abendländischen Kontext steht ‚Liebe‘ als Grundhaltung zur Debatte und damit der Liebesbegriff zur Analyse. Über die Befragung und Diskussion dieses Selbst- und Weltbilder prägenden Zusammenhangs von Liebe und Haltung in seinen begriffsgeschichtlichen, philosophischen Ausprägungen können wichtige Zugänge zum bisher kaum erschlossenen Haltungsbegriff und neue Perspektiven auf die seit der Neuzeit aufgerissene Kluft zwischen Einzelnem und Gemeinschaft aufgewiesen werden.

In ethischer Perspektive kennzeichnet Subjekt- und Personentheorien das Problem der Moderne, daß Verantwortung einer Stabilität und damit eines starken Subjektbegriffs bedarf, während aber eine Subjektstruktur zugleich nur als Fragiles und Bewegliches angenommen werden kann. Von beiden Polen aus können Intersubjektivität, Interpersonalität und besonders Interindividualität letztlich nicht plausibel entworfen werden, dies ist nur unter Maßgabe einer Verbindung von beidem zu leisten. Haltung bietet sich als veritables Angebot für dieses theoretische Dilemma an, da sie sowohl als Zuständlichkeit wie als Prozessualität und als eine Form praktischer basaler Reflexivität begreifbar ist. Im konkreten Umgang mit Anderen, der eigenen Person und Welt werden Selbst- und Weltkompetenz in Rückbindung an die eigene Person erworben. Anthropologisch gesprochen bezeichnet diese Reflexivität auch die Gebrochenheit des Menschen, seine fehlende Selbstevidenz. Mit einer Theorie der Haltung wird versucht, innerhalb der aktuellen Debatte eine kritische Revision der Subjektphilosophie im Sinne einer Philosophie der Verantwortung und Interindividualität anzubieten.

Ist einem Person-Sein diese im Begriff der Haltung enggeführte Bezüglichkeit und Reflexivität konstitutiv, dann stellt sich die Frage nach dem ‚Wie‘ dieses Beziehens, der Haltung. Schon früh, vor der christlichen Exposition, taucht ‚Liebe‘ in der zumeist unzureichend nur als Freundschaft verstandenen philia in Verbindung mit der hexis und der prohairesis besonders in Aristoteles' Nikomachischer Ethik auf, an die der hier angeführte Haltungsbegriff anschließt.

Seit der antiken zwischen Liebe und Freundschaft changierenden Vorlage ist der Liebesbegriff eng mit den Wandlungen des Selbst-, Subjekt- und Personenverständnisses in seinem Verhältnis zur Gemeinschaft verbunden. So ist philia als hexis, als Tugend, als ‚Haltung der Wahl‘ bestimmt und konstitutiver Bestandteil der Ethik. Im Anschluß an Aristoteles ist in der Verschränkung des Liebes- mit dem Haltungsbegriff das Verhältnis von Liebe und Haltung sogleich in einem subjekt- und personentheoretischen Horizont gestellt, denn auch wenn es überindividuelle Bestimmungen von Haltung gibt, so erhält dieser Begriff letztlich doch nur sinnvolle Relevanz im Hinblick auf seine konkreten und persönlichen Realisierungen, die sich wiederum gemeinschaftlich niederschlagen. Dabei ist davon auszugehen, daß im Phänomen Haltung ein Zusammenwirken von geistiger Einstellung, emotionaler Disposition und leiblicher Körperhaltung vorliegt, und daß Liebe wiederum sowohl als Phänomen, Erlebnis, Ereignis als auch als Teil einer je spezifischen kulturellen Liebessemantik und Codierung zu fassen ist.

Gegenüber soziologischen, emotions- oder systemtheoretischen Ansätzen wird hier durch die Verflechtung von Haltungs- und Liebesbegriff die gegenseitige einander jeweils generierende Vermitteltheit zwischen individueller und gemeinschaftlicher Prägung thematisiert. Diese Interdependenzen wären kritisch zu differenzierender Ausgang und Fokus der Betrachtung.

Ist vom philosophiehistorisch belasteten Subjektbegriff aus Gemeinschaft nur schwerlich zu perspektivieren, wäre eine Haltungstheorie als Grundlage für das Verhältnis von ‚Person mit Person‘ zu denken und damit als Grundstein für einen Entwurf nicht nur von möglicher Interpersonalität, sondern auch von Interindividualität, wie er derzeit für alle Debatten um Interkulturalität und Individualität benötigt wird.

‚Liebe‘, die als überindividuelles Angebot Lebensmaximen, Lebensziele, gesellschaftliche oder ethische Maßstäbe und zugleich in ihrer Phänomenalität als Gefühl ebenso individuelle Relevanz bezeichnet, bietet sich zur Untersuchung dieses Verhältnisses an. Von hier her fragt sich, ob die Beziehung von Einzelnem und Gemeinschaft nur konfliktuell gedacht werden kann, oder ob sich in der Auslotung des Verhältnisses von Haltung und Liebe andere Relationen entwickeln lassen.

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