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FAQ

Sektionsredner

Professor Dr. Matthias Kettner (Witten-Herdecke)
Kulturreflexion und die Grammatik kultureller Konflikte

Abstract

Der Kulturbegriff hat in den letzten 200 Jahren seine Bedeutung diametral verändert. Einst galt: Viele Phänomene sind kulturelle Relativa, aber zudem gibt es auch kulturelle Universalien. Im Sinne dieser Auffassung konnte Kultur gedacht werden als ein Einigendes, ein Gemeinschaftliches aller Menschen, eine regulativ universalistische Idee der Humanität. Hingegen wird der Begriff heute oft vorweg schon als ein Differenzbegriff eingeführt. Kultur existiert demzufolge nur im Plural der Kulturen. Eine Behauptung, etwas, x, sei "relativ zur Kultur", impliziert dann, dass x kein kulturelles Universale sein kann, da x relativ zu dieser oder zu jener Kultur sein muss. (In diesem Sinne impliziert zum Beispiel die Behauptung, die Ausprägung ethnozentrischer Denkmuster sei „relativ zur Kultur“, daß Ethnozentrismus keine in allen Kulturen qua Kulturen angelegte Möglichkeit sein kann.) Demnach gäbe es nur kulturelle Relativa, keine kulturellen Universalien.

Im ersten, kritischen Teil meines Vortrags begründe ich, warum - entgegen kulturrelativistischen Vorurteilen – Kulturphilosophie auf einen nichtrelativistischen Begriff kultureller Prozesse weder verzichten wollen sollte noch verzichten muß. Auf die Grenzen von normativem Kulturrelativismus verweise ich nicht mit Hilfe eines dialogreflexiven Letztbegründungsarguments, sondern mit Hilfe des materialen Arguments, 1. daß geteilte Kultur die Selbstverständlichkeit von Kooperation erklärt, daß 2. Intersubjektivität die Möglichkeit erklärt, daß eines für mehrere als dasselbe gilt, und daß 1 und 2 nur die zwei Seiten einer Medaille sind, die zur menschentypischen Lebensform gehört.

Im zweiten, konstruktiven Teil mache ich auf der Basis einer Metaanalyse soziologischer [Reckwitz 2000], ethnologischer [Kroeber und Kluckhon 1952] und philosophischer Kulturtheoriediskurse [Schwemmer 2005, Janich 2006, Konersmann 2006] einen Vorschlag für eine nichtrelativistischen Modellierung kultureller Prozesse. Der so gewonnene kulturreflexive Begriff kultureller Prozesse charakterisiert diese durch (1) Normalisierungsarbeit, (2) Wir-Bezug, (3) Geschichtlichkeit, (4) Integrationstendenz und (5) schwache Normativität.

Wenn sich unter diesen Aspekten erläutern läßt, was die Natur kultureller Prozesse im Unterschied zu Prozessen nichtkultureller Art ausmacht, dann wird die Frage sinnvoll, ob in diesen Prozeßcharakteristika bestimmte Formen (d.h. Möglichkeiten) von Konflikten (d.h. von unter bestimmten Umständen eskalierbaren Spannungen) angelegt sind. Soweit sich diese Frage beantworten lässt, entsteht der Umriss einer Theorie von Konfliktformen, die in der Natur kultureller Prozesse selbst angelegt sind. Ihre Möglichkeit ist dann "kulturell notwendig" (nota bene: kulturnotwendig, nicht: naturnotwendig). Im dritten Teil geht es deshalb um theoretische und praktische Implikationen des vorgeschlagenen kulturreflexiven Kulturbegriffs. Zu diskutieren ist, ob sich Konflikformen, deren Möglichkeit kulturell notwendig ist, auf praktisch interessante Weise von anderen Konflikten unterscheiden, für die das nicht gilt, weil sie andere Gründe haben als solche, die bereits aus der Natur kultureller Prozesse entspringen. Die Möglichkeit von Konfliktformen, die Gründe haben, die bereits aus der Natur kultureller Prozesse entspringen, sollten wir unterscheiden von anderen Faktoren, die in realen Situationen dafür sorgen, dass reale Konflikte entstehen. Z.B. entstehen oft in Situationen der Konkurrenz um knappe materielle Ressourcen reale Konflikte. Ein Verteilungskampf um knappe materielle Ressourcen ist als solcher kein Konflikt, dessen Möglichkeit kulturell notwendig ist. Dass und wie solche nicht kulturell notwendige Konflikte dann aber bestimmte Gestalten annehmen (z.B. die Gestalt eines Kampfs um die Anerkennung einer bestimmten Wir-Identität, oder die Gestalt eines Kampfs um Diskursivität usw.), sollte sich mit Hilfe einer Theorie kulturell notwendiger Konfliktivität besser erklären lassen als ohne ein solche Theorie.

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