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FAQ

Sektionsredner

Dr. Fabian Heubel (Taipei, RC) - Curriculum Vitae
Bioästhetische Selbsttechniken: Reflexionen zur französischen Zhuangzi-Forschung

Abstract

Die Bedeutung des Buches Zhuangzi für das kritische Denken der Gegenwart zeigt sich in dem einleitenden Kapitel von François Julliens Buch über das „Nähren des Lebens" (Nourrir sa vie, Paris: Seuil, 2005) mit unmißverständlicher Klarheit: es ist das Grauen vor einer „Bioökonomie", in deren Umkreis die Ausdehnung des ökonomischen Imperativs der Maximierung von Produktivität und Profit immer radikaler die Ebene eines Selbst durchdringt, das zu einer immer effizienteren Nutzung seines „Lebenskapitals" genötigt wird.

Jullien zeigt sich erschreckt darüber, daß Regale mit philosophischen Büchern aus französischen Buchhandlungen verschwinden und durch Bücher ersetzt werden, in denen ein Kult der Vitalität erkennbar wird, der im diffusen Bereich zwischen Gesundheit und Spiritualität angesiedelt ist. In Julliens Erschrecken scheint mir die Wirkung einer globalen Moderne spürbar zu werden, deren transkulturelle Dynamik den angestammten Bereich der Philosophie herauszufordern beginnt: die chinesische Moderne drängt sich als eine Moderne mit universalistischem Anspruch in den Horizont der (europäischen) Moderne hinein und beginnt die „europäische Welt von heute zu konvertieren" (20). Während Julliens vorangehende Bücher von einer methodischen Verfahrensweise geprägt waren, in der China als heterotopisches „Außen" und ein dekonstruktiver Effekt auf europäischer Seite sich ergänzt haben, deutet sich nun eine philosophische Verschiebung an, die mir bemerkenswert erscheint, auch wenn das Buch die systematische Unfähigkeit von Julliens kontrastiver Hermeneutik, das Problem der chinesischen Moderne philosophisch zu denken, nur ansatzweise zu überwinden und somit die zu Beginn eröffnete Perspektive kaum wirklich zu entfalten vermag.

In einer „dechristianisierten" Welt, deren Streben nach Glück sich nicht länger auf ein Jenseits bezieht und in der zudem die Bedeutung des Opfers im Namen höherer Gründe (Revolution, Vaterland etc.) schwindet, so Jullien, bleibt kaum mehr als jenes „Kapital des Lebens", das jedem Einzelnen individuell zugeteilt worden ist. Damit beginnt die europäische Tendenz zur Entchristianisierung und zur Überwindung traditioneller Metaphysik mit Aspekten chinesischer Kultur zu korrespondieren, die sich historisch gerade infolge der Abwesenheit einer dualistischen Metaphysik im europäischen Sinne zu entfalten vermochten. Dabei hat Jullien vor allem den Zusammenhang von Nähren des Lebens und chinesischer Energetik im Auge. Die Bedrohung, die Jullien angesichts der von ihm konstatierten Konversion der europäischen Welt empfindet, nötigt ihn zu stärkerem „Engagement" in Form der Kritik eines vulgären Vitalismus – er spricht von (sous)-littérature und sous-pensée, dem er eine philosophische Auseinandersetzung mit der chinesischen Energetik entgegensetzen will, deren politischer Dimension er sich bewußt ist (vgl. 21).

Das Nähren des Lebens umkreist unablässig das Motiv des Lebens und seiner Regulation. Damit drängt sich die Folgerung auf, daß hier Politik unterschwellig auf das moderne Problem der Biopolitik verweist, mit dem eine produktive, nicht-repressive Steuerung individuellen Lebens und seiner Energien zur vorrangigen Aufgabe des „Regierens“ geworden ist. In diesem Sinne interessiert mich Julliens Buch als Versuch einer biopolitischen Lektüre des Zhuangzi, mit deren Hilfe die vulgärenergetische Tendenz zur Maximierung des eigenen Lebenskapitals kritisiert werden soll. Zhuangzi bildet mit anderen Worten den Einstieg in die immanente Kritik einer auf Strategie reduzierten Bioenergetik, für die „Leben" nicht mehr als eine Ressource und ein Potential ist, das es mithilfe diverser Selbsttechniken zu steigern, zu steuern und zu nutzen gilt. Dabei gilt Julliens besondere Aufmerksamkeit der Verflechtung von Energetik und einer Konzeption des Lebens als Prozeß, der mit einer Haltung des „Sich-in-Wandlung-haltens" (se maintenir evolutif) verbunden ist, von der her das strategische Ziel der Steigerung des eigenen Lebenskapitals als eine Form der Fixierung und Blockierung verstanden werden kann, die dieses Ziel selbst zunichte macht: die zwanghafte Steigerung des Lebens schadet dem Leben.

An dieser Stelle rührt die biopolitische Lektüre an Möglichkeiten einer ästhetischen und kritischen Kultivierung, die Foucault im Namen von „Ästhetik der Existenz" zu erörtern versucht hat. Meine Reflexionen hinsichtlich der französischsprachigen Erforschung des Buches Zhuangzi (neben Jullien werden die Bücher von Jean François Billeter, Jean Levi und Romain Graziani berücksichtigt), das als eine der wichtigsten Quellen chinesischer Literatenästhetik gilt, führen somit, über Jullien hinaus, zum Versuch im Namen von Bioästhetik jenes Verhältnis von Biopolitik und Ästhetik der Existenz transkulturell zu erkunden, das in Foucaults Schriften über das Stadium der Andeutung kaum hinausgekommen ist. Im Zentrum meiner Überlegungen steht dabei die Analyse des dem Nähren des Lebens gewidmeten dritten Kapitels des Zhuangzi.

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Curriculum Vitae von Dr. Fabian Heubel

Studium:
  • Bis 1995: Sinologie, Philosophie, Botanik (Goethe Universität Frankfurt am Main). Abschluss: Magister
Promotion:
  • 2000: Das Dispositiv der Kreativität (TU Darmstadt (Philosophie))
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Academia Sinica
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Kritische Theorie (Frankfurter Schule, Poststrukturalismus)
  • Chinesische Philosophie (Konfuzianismus, Daoismus), Rezeption chinesischer Philosophie in Europa
  • Ästhetik (chinesische Literatenästhetik, zeitgenössische Kunst)
Berufliche Stationen:
  • 2001 - 2002: Post Doc
  • 2002 - 2008: Assistant Research Fellow
  • 2008 - -: Associate Research Fellow
Wichtigste Publikation(en):
  • Das Dispositiv der Kreativität, Darmstadt: WBG, 2002
  • Selbstkultivierung und Kritik: zu Foucaults "Hermeneutik des Subjekts", in: Gahlings et al (Hg.), III. Jahrbuch für Lebensphilosophie (2007), München 2007
  • zahlreiche Veröffentlichungen in chinesischer Sprache
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