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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Andreas Hetzel (Darmstadt) - Curriculum Vitae
Die Wirksamkeit der Rede. Einer Pragmatik jenseits der Handlungstheorie

Abstract

In meinem Vortrag konfrontiere ich das rhetorische Denken einer lebensweltlich kontextualisierten sprachlichen Wirksamkeit mit demjenigen einer verwissenschaftlichten Sprachpragmatik (Searle, Habermas, Brandom). Die klassische Rhetorik sucht Antworten auf die Frage, wie mit Sprache Überzeugungen vermittelt und soziale Institutionen geschaffen werden. Den rhetorischen Antwortversuchen, die in ihrer Differenziertheit denen der neueren Sprachphilosophie in nichts nachstehen, gilt hier meine Aufmerksamkeit. Im Anschluss an die Sprachauffassung der rhetorischen Tradition deutet der Vortrag eine Theorie sprachlicher Wirksamkeit an und rekonstruiert das Sprachdenken der antiken Rhetorik, wie es etwa in den Werken von Protagoras, Gorgias, Isokrates, Aristoteles, Cicero und Quintilian entfaltet wird, als ein situationales Denken. Die Wirkung der Rede verdankt sich hier weniger einer Sprecherintention als vielmehr dem Potentialitätsgefälle einer Situation, über die Einzelne nicht handelnd verfügen können. Das systematische Interesse meiner historischen Rekonstruktionen liegt in einem adäquaten Verständnis der persuasiven und performativen Dimension unseres Sprechens. Das Rhetorische erschöpft sich, wie ich zeigen werde, nicht im psychologisch beschreibbaren Überreden bzw. Überzeugen. Hinter der rhetorischen Idee sprachlicher Wirksamkeit verbirgt sich vielmehr eine breiter angelegte Theorie sprachlicher Wirksamkeit und Welterzeugung, die der Situationalität des menschlichen In-der-Welt-Seins Rechnung trägt.

Im griechischen Verb peithein, welches im Mittelpunkt der sophistischen Theorie der Beredsamkeit steht, wird etwa bei Gorgias von Leontinoi und Isokrates ein geschichtsmächtiges Bewirken und Hervorbringen mitgedacht, das über das psychologische Überzeugen hinausgeht. Im Verb peithein das mit überreden, überzeugen, entscheidenden Einfluss ausüben, jemanden zu etwas bringen übersetzt werden kann, verdichtet sich für die frühen Rhetoren diejenige Kraft der Sprache, welche heute, im Anschluss an John Austin, als das Performative begriffen wird. Sprachliches Handeln figuriert hier als poietisches, welterschließendes und geschichtsstiftendes Handeln.

Als Horizont allen Seins, Medium aller Medien und Bezugsgewebe aller Beziehungen ist uns die Rede das Selbstverständlichste. Als permanenter Vollzug und Übergang lässt sie sich nie gänzlich erfassen und wissenschaftlich verobjektivieren. Rhetorik reflektiert auf unser redendes Miteinander- und In-der-Welt-Sein gleichsam von innen, aus einer lebensweltlichen Perspektive. In systematischer Hinsicht betont sie vor allem zwei Dimensionen des Redens: seine Performativität und seine Negativität. Performativität bedeutet, dass unsere Rede in der je konkreten Aktualität ihres Vollzugs eine spezifische Wirksamkeit entfaltet, die sich von allen anderen (etwa physikalischen) Formen der Wirkung unterscheidet. Rede wirkt, indem sie sich vollzieht und sie vollzieht sich als Wirkung. Ihre Wirksamkeit kommt ihr nicht als Eigenschaft zu, sondern ist mit ihrem Vollzug koextensiv.

Negativität der Rede bedeutet zunächst, dass die Wirksamkeit der Rede in nichts anderem gründet als in ihrem Vollzug; die Rede in ihrer Wirksamkeit lässt sich mithin nicht reduktionistisch erklären, nicht auf von ihr selbst unabhängige mentale Intentionen, soziale Institutionen oder physikalische Tatsache zurückführen. Negativität steht hier einfach für eine partielle Ungegründetheit. In ihrer Negativität und Performativität hebt sich Rede vom philosophischen Konzept einer Sprache ab, die immer in etwas anderem gründet und selbst als Grund beansprucht wird.

Zur Beantwortung der Frage nach der Sprache hat sich in der Sprachpragmatik eine bestimmte Antwortstrategie durchgesetzt: Immer wenn gesprochen wird, haben wir es mit Handlungen zu tun. Das Äußerungsereignis wird als Sprechhandlung interpretiert. Der Handlungsbegriff der Sprachpragmatik unterscheidet sich dabei wesentlich vom Praxis-Begriff der antiken Rhetoren; seine Wurzeln liegen eher in der neuzeitlichen Subjektphilosophie und Rationalitätstheorie, wie sie insbesondere von Descartes begründet wurde. Handlungen werden von der neueren Sprachpragmatik durch das Vorliegen von Intentionen, durch die Befolgung von Regeln, durch ihr Eingebettetsein in Institutionen sowie durch ihre Verwiesenheit auf Begründungen expliziert. Das Sprechereignis wird im Rahmen der Handlungstheorie auf das Zusammenspiel dieser vier Pole zurückgeführt, wobei sich die verschiedenen Versionen der Sprachpragmatik dadurch unterscheiden, dass sie jeweils einen dieser Pole gegenüber den anderen auszeichnen

Der Vortrag ist dem Ziel gewidmet, die lebensweltliche Rede gegenüber dem wissenschaftlich-reduktionistischen Konzept einer Sprachpragmatik zurückzugewinnen.

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Curriculum Vitae von Dr. Andreas Hetzel

Studium:
  • Bis 1993: Philosophie, Germanistik, Publizistik, Skandinavistik (WWU Münster / JWGU Frankfurt a.M.). Abschluss: MA
Promotion:
  • 1999: Zwischen Poiesis und Praxis. Elemente einer kritischen Theorie der Kultur (TU Darmstadt)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • TU Darmstadt
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Sprachphilosophie (Pragmatik und Rhetorik)
  • Politische Philosophie
  • Sozialphilosophie
Berufliche Stationen:
  • 1993 - 1996: Wiss. Mitarbeiter (DFG-Projekt) TU Chemnitz
  • 1997 - 2008: Wiss. Mitarbeiter (DFG-Projekt), Postodocstipendiat u. Koordinator eines Graduiertenkollegs TU Darmstadt
Wichtigste Publikation(en):
  • Zwischen Poiesis und Praxis. Elemente einer kritischen Theorie der Kultur, Würzburg 2001 (K&N)
  • Interpretationen: Hauptwerke der Sozialphilosophie (mit G. Gamm u. M. Lilienthal), Stuttgart 2001 (Reclam)
  • Die Rückkehr des Politischen. Demokratietheorien heute (hg. mit O. Flügel u. R. Heil), Darmstadt 2004 (WBG)
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