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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Susanne Herrmann-Sinai, M.A. (Erfurt) - Curriculum Vitae
Kant über Klänge als Bewegungen

Abstract

Man ist über Kants missbilligende Äußerungen zur Musik seit je verwundert, wenn nicht gar verärgert. Einerseits gilt Kant als Wegbereiter der modernen Ästhetik als einer philosophischen Disziplin, andererseits scheint aus den Stellen, in denen er über Musik schreibt, nicht nur seine Ablehnung, sondern auch schlichte Unkenntnis des Gegenstandes zu sprechen. Für die zur Entstehungszeit der KU bereits blühende Instrumentalmusik, deren Entwicklung in der Sinfonik des 19. Jahrhunderts mündete, dem – so meint man vielfach – musikästhetischen Paradigma schlechthin, seien Kants Überlegungen nicht adäquat. Man hat sich daher darum bemüht, die mangelnde musikalische Bildung Kants biographisch nachzuweisen oder seine Abneigung aus Anekdoten abzuleiten. Mehr oder minder explizit steht dahinter die These, Kant hätte aus dieser Abneigung heraus einfach nicht lange genug nachgedacht und sich zu einer verfrühten Wertung hinreißen lassen, wiewohl er den Wert von Musik (begrifflich) hätte anerkennen können. Kant gilt daher eher als Vorläufer denn als Vertreter einer Musikästhetik, die sich unter Verwendung seiner Begriffe klarer positionierte als er selbst.

Entgegen dieser weit verbreiteten Meinung wird der Vortrag die These vertreten, dass sich Kants Äußerungen nicht biographisch, sondern ausschließlich begrifflich innerhalb seines Systems erklären lassen (müssen). Diese Art der Auseinandersetzung mit Kants Musikästhetik verbleibt also im philosophischen Kontext, wie es etwa auch Stephan Nachtsheim (Zu Immanuel Kants Musikästhetik, Hg., Chemnitz 1997) gefordert hatte. Schon bei Carl Dahlhaus findet sich aber eine – von ihm selbst allerdings unausgeführte – These zu Kants Verhältnis zur Musik: Dahlhaus schrieb in seiner Musikästhetik (1967, S. 51): „Kants Musikästhetik ist einer immanenten Kritik zugänglich, die vom Zeitbegriff ausgeht. Die Zeit war in der Kritik der reinen Vernunft, in dem Kapitel über die transzendentale Ästhetik, als reine Anschauungsform, als allgemeine Bedingung der Vorstellung von Gegenständen bestimmt worden. Und es wäre nicht unmöglich gewesen oder lag sogar nahe, aus dem Zeitbegriff eine Musikästhetik zu entwickeln, die Kants Intention, das Schöne vom bloß Angenehmen deutlich abzuheben, gerecht wurde.“ Anknüpfend an diese Diagnose lässt sich ein Erklärungszusammenhang herstellen zwischen Kants Begriffen der Zeit und der Bewegung aus der KrV, insbesondere den „Analogien der Erfahrung“ und der Einordnung der Musik als niedrigste unter den schönen Künsten in der KU.

Dass Musik die Kunst ist, die sich in rein zeitlicher Progression entfaltet, ist unbestritten. Im Reden über Musik gebraucht man oft progressive Verben, die eine Bewegung artikulieren. Man sagt „die Melodie steigt auf“, „die Harmonie entwickelt sich zu …“, „die Phrase endet in einer …“. Weniger klar jedoch ist, wie sich die spezifisch musikalische zeitliche Progression verstehen lässt. Aus den „Analogien der Erfahrung“ kann man lernen, mit welchen begrifflichen Voraussetzungen sich zeitliche Bewegungen im Raum, etwa die eines den Strom hinabtreibenden Schiffes, verstehen lassen. Kant sagt, dass das Wahrnehmen einer Bewegung nur dann ermöglicht werden kann, wenn eine beharrliche Substanz zu Grunde gelegt wird. Dies geschieht, indem man die einzelne Bewegung unter eine allgemeine Regel bringt, die sich der Form nach in Substanz und Bewegungsform gliedert – also etwa „Schiffe treiben stromabwärts“ (Vgl. Sebastian Rödl, Kategorien des Zeitlichen, FfM 2005).

Wie aber lässt sich aus dieser Bestimmung für räumliche Bewegungen in zeitlicher Progression ein Verständnis von musikalischen Klängen in rein zeitlicher Progression entwickeln? Diese Frage wird im Vortrag als Leitfaden für die Exegese der betreffenden Musikpassagen dienen. Es wird zu zeigen sein, wie sich Kants ambivalente Charakterisierung der Musik als von „transitorischem Eindrucke“ einerseits und von „mathematischer Form“ andererseits zu dieser Frage verhält. Der erste Charakterzug wertet Musik ab, denn er kennzeichnet für Kant in erster Linie den Mangel der Musik; der Mangel an Begriffen im Vergleich mit der Dichtkunst und der Mangel an bleibenden Gestalten im Vergleich mit der bildenden Kunst. Der zweite – die mathematische Form – wertet sie auf, beziehungsweise hebt sie überhaupt erst in die Ordnung der schönen Künste. Denn der Anspruch des ästhetischen Geschmacksurteils auf subjektive Allgemeingültigkeit ist nach Kant daran gebunden, dass man im Urteilen allein auf die „formalen Eigentümlichkeiten“ (KU §40) seiner Vorstellung sieht, die ihren Grund im „Wohlgefallen oder Mißfallen an der Form des Objekts“ (KU §44) haben. An der Frage, was genau Kant unter der Form des musikalischen Objekts – unter der Form von Klängen – versteht, wird sich entscheiden, ob Kant ein adäquates Verständnis von musikalischen Bewegungen hat. Letztlich – so die These – liegt in der Beantwortung dieser Frage der Grund, warum Kant die Musik in der Rangordnung der schönen Künsten zuunterst stellt.

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Curriculum Vitae von Susanne Herrmann-Sinai, M.A.

Studium:
  • Bis 2005: Musikwissenschaft / Philosophie / Logik & Wissenschaftstheorie (Leipzig). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • Eine Theorie moralischer Handlungspraxis in Auseinandersetzung mit Christine Korsgaard (Erfurt)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Erfurt
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