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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Jan-Hendrik Heinrichs (Erfurt) - Curriculum Vitae
Gibt es anthropologische Grundlagen der Bioethik?

Abstract

Der Vortrag entwickelt ein systematisches Argument zum Verhältnis anthropologischer und bioethischer Theoriebildung. Er bewegt sich durchweg auf einer metatheoretischen Ebene, orientiert sich also an der Analyse der jeweiligen Disziplinen und ihrer Diskurse. Der Ertrag dieser metatheoretischen Diskussion ist für die jeweilige disziplinäre Theoriebildung insofern fruchtbar, als tatsächliche Abhängigkeiten zwischen den Diskursen offengelegt oder nur vermeintliche Abhängigkeiten aufgeklärt werden.

Die Argumentation baut auf der Feststellung auf, dass der Begriff „Anthropologische Grundlagen“ doppeldeutig ist. Einerseits bezieht man sich damit auf Eigenschaften und Fähigkeiten, die Individuen der Spezies Mensch meistens zukommen, und die in theoretischen Erwägungen über bioethische Fragen zu beachten sind. Andererseits bedeutet dieser Begriff auch eine allgemeine Theorie vom Menschen als Erkenntnis und Handlungssubjekt, deren Vorgaben in untergeordnete Theorien wie der Bioethik zu beachten seien.

Im ersten Sinne sind anthropologische Grundlagen der Bioethik deshalb unumgänglich, weil sie die Disziplin selbst individuieren. Bioethik ist keine bereichsindifferente ethische Theorie oder lediglich die Anwendung bereichsindifferenter ethischer Theorien. Vielmehr werden die Fragestellungen und damit zum Teil auch die disziplinären Grenzen der Bioethik durch die Thematisierung von primär biologischen Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen beeinflusst.

Als zentrale These des Vortrages wird gelten, dass es gemäß des zweiten Verständnisses keine anthropologischen Grundlagen der Bioethik gibt. Bestenfalls können anthropologische Aussagen dieses Typs als Teile der Bioethik auftreten, denen allerdings keine Grundlegungsfunktion zukommt.

Für diese These werden unter anderen folgende Argumente angebracht:

1) Anthropologie als allgemeine Theorie vom Menschen orientiert sich – nach verbreiteter Selbstbeschreibung – an der Interpretation menschlicher Erfahrung jenseits objektivierter Sachverhalte und externer Voraussetzungen. Der Bioethik muss es aber gerade um die Einbeziehung und Berücksichtigung solcher Voraussetzungen gehen, will sie reale und konkrete Probleme ethischen Verhaltens und ethisch vertretbarer Institutionen in medizinischen und biowissenschaftlichen Handlungskontexten thematisieren oder gar lösen.

2) Der Anthropologie muss es qua Disziplin um starke Bestimmungen des Menschen gehen. Im Gegensatz dazu sind die Bestimmungen des Menschen in der Bioethik (und in der Ethik allgemein) eher schwach, zuweilen unter dem Stichwort einer Minimalanthropologie gefasst.

3) Anthropologische Theorien sind normalerweise selbst evaluativ. Sie versuchen nicht nur darzustellen, was der Mensch ist, vielmehr bemühen sie sich auszuzeichnen, was seiner Natur entspricht. Insofern stehen sie auf derselben systematischen Stufe wie bioethische Theorien und können insofern bestenfalls auf denselben Grundlagen beruhen oder sich im Sinne einer kohärenztheoretischen Auslegung gegenseitig stützen. Keine der beiden Theorien kann der anderen ein Fundament bereiten.

Die diskutierte These wird im Anschluss an die metatheoretischen Überlegungen anhand der Verwendung des Begriffs ‚Mensch’ in einem konkreten bioethischen Kontext erläutert. Es lässt sich zeigen, dass bei der Verwendung des Begriffs ‚Mensch’ in der Diskussion um Enhancement nicht trennscharf zwischen Eigenschaften und Fähigkeiten von Individuen der Spezies und einer allgemeinen Theorie des Handlungs- und Erkenntnissubjekts unterschieden wird. Diese Vermengung der beiden Begriffsbedeutungen ist – wie zu zeigen sein wird – verantwortlich für einige philosophische Scheinprobleme, wie etwa, dass Enhancement zugleich als Veränderung und als Verabschiedung der menschlichen Natur thematisiert wird.

Die im Artikel vertretene These und die darauf aufbauenden Argumente sind nicht hinreichend, um eine Evaluation bioethischer Maßnahmen durchzuführen. Dementsprechend wird auch keine Aussage darüber getroffen werden können, wie das bioethische Beispiel ‚Enhancement’ zu bewerten ist. Es sollte jedoch aufgrund der vorgestellten Argumentation möglich sein, die Verlaufslinien und Berührungspunkte zwischen zwei distinkten Formen normativen Diskurses – anthropologischem und bioethischem – aufzuzeigen, und auf notwendigen Abgrenzungen zu bestehen. Auf das Beispiel bezogen: es kann immerhin gezeigt werden, in welchen Rahmen ‚Enhancement’ bewertet werden kann.

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Curriculum Vitae von Dr. Jan-Hendrik Heinrichs

Studium:
  • Bis 1999: Angewandte Kulturwissenschaften (Universität Lüneburg). Abschluss: Magister
Promotion:
  • 2004: Grundbefähigungen: Zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie (Duisburg-Essen)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Universität Erfurt
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Methoden der Ethik
  • Angewandte Ethik
  • Politische Philosophie
Berufliche Stationen:
  • 2004 - NN: Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Philosophsiches Seminar Universität Erfurt
  • 2003 - 2004: Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Philosophsiches Seminar Universität Duisburg Essen
Wichtigste Publikation(en):
  • Grundbefähigungen: Zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie, Paderborn 2006
  • Die Anwendbarkeit etablierter ethischer Begriffe auf aktuelle bioethische Problemstellungen. In: Hübner, Dietmar: Dimensionen der Person: Genom und Gehirn, Paderborn 2006.
  • Ethische Aspekte der Neurobionik. In: Honnefelder, Ludger und Streffer, Christian (Hrsg.) Jahrbuch Wissenschaft und Ethik 2003, Berlin und New York.
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