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FAQ

Sektionsredner

Priv.-Doz. Dr. Reiner Hedrich (Dortmund)
Motivationen, konzeptionelle Randbedingungen und Alternativen für eine Theorie der Quantengravitation

Abstract

Eine entscheidende Motivation für die Entwicklung einer Theorie der Quantengravitation besteht in der wechselseitigen konzeptionellen Inkompatibilität der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) mit der Quantenmechanik (QM) bzw. den Quantenfeldtheorien (QFT): (1) Das Gravitationsfeld wird von der ART als klassisches dynamisches Feld behandelt; dynamische Felder besitzen jedoch gemäss der QM Quanteneigenschaften, was eine Quantisierung des Gravitationsfeldes nahelegt. (2) In der ART wird das Gravitationsfeld durch die Metrik der Raumzeit repräsentiert, so dass eine Quantisierung des Gravitationsfeldes einer Quantisierung der Metrik entspräche; die QFT, die das Verhalten dynamischer Quantenfelder beschreiben, arbeiten jedoch mit einem festen, nicht-dynamischen Hintergrundraum, kommen also in ihrer bisherigen Form kaum für eine Erfassung der "Quantengeometrie" in Frage. (3) In der ART ist die Zeit eine Komponente der dynamischen Raumzeit und lässt sich nur lokal und intern definieren; in der QM wird sie als globaler Hintergrundparameter behandelt.

Die wechselseitige Unverträglichkeit von ART und QM wird vor allem dort zum Problem, wo aus physikalischen Gründen die widerstreitenden Partner gleichermassen Berücksichtigung finden müssten: etwa bei Schwarzen Löchern (Hawking-Strahlung, Bekenstein-Entropie) oder dem "Urknall". In beiden Fällen sagt die ART Singularitäten voraus, für die das Äquivalenzprinzip nicht mehr gilt, so dass die Theorie ihre Gültigkeit verliert. Die hier fehlende Theorie sollte nach heutiger Ansicht in der Lage sein, die Quanteneigenschaften der Gravitation (bzw. der dynamischen Raumzeit) zu erfassen.

Eine solche Theorie müsste entweder eine Quantentheorie (im weitesten Sinne) sein, welche die ART als niederenergetischen, klassischen Grenzfall enthält, oder eine Theorie (nicht unbedingt eine Quantentheorie), die den jeweiligen bereichspezifischen Erfolg der ART sowie der QM und der QFT zu erklären und die entsprechenden Vorhersagen dieser etablierten Theorien (zumindest als Näherungen) zu reproduzieren in der Lage ist. Darüberhinausgehend müsste eine solche Theorie spezifische eigene Vorhersagen liefern, die einer empirischen Überprüfung unterworfen werden können.

Der Weg zu einer Theorie der Quantengravitation führt nicht notwendigerweise über die Quantisierung der ART (Loop Quantum Gravity) oder die einer anderen klassischen Dynamik (Stringansatz). Der Stringansatz existiert auch nach dreissig Jahren nur als perturbatives Konstrukt ohne physikalisch motivierbares fundamentales Prinzip; er arbeitet wie die QFT mit einer festen Hintergrundraumzeit; zudem scheint die Aussicht auf eine zukünftige Erklärungsleistung mit der Entdeckung der String-Landscape endgültig dahin zu sein. Die Loop Quantum Gravity kämpft mit diversen konzeptionellen Schwierigkeiten (v.a. das "Problem der Zeit" sowie die Formulierbarkeit und Eindeutigkeit allgemein kovarianter Operatoren) und ist bisher noch nicht in der Lage, die ART als klassischen Grenzfall zu reproduzieren.

Das Spektrum der Alternativen und ihrer jeweiligen konzeptionellen Hintergründe und Motivationen ist jedoch wesentlich grösser. Es bietet nicht zuletzt Aussichten, die jeweiligen Probleme, die sich für die direkten Quantisierungsansätze abzeichnen, zu vermeiden. Diverse prä-raumzeitliche ("prägeometrische"), diskrete Ansätze formieren in diesem Spektrum: Causal Sets, computationale Ansätze, holographische Schirme, prägeometrische Quantum Causal Histories etc. Diese Ansätze lassen sich nicht zuletzt aus den diversen Indizien für ein diskretes Substrat der Raumzeit heraus motivieren, wie sie sich sowohl im Kontext der etablierten Theorien ergeben (v.a. die Bekenstein-Hawking-Entropie als Ergebnis des Zusammenspiels von Argumenten aus ART, QFT und Thermodynamik) als auch darüber hinausgehend (Ableitung diskreter Spinnetz-Strukturen in der Loop Quantum Gravity; Anzeichen für eine minimale Länge im Stringansatz; Reproduktion der Bekenstein-Hawking-Entropie im Rahmen beider Ansätze). Die Quantum Causal Histories können dabei in gewisser Weise als Synthese der unterschiedlichsten Denkansätze zu einer prägeometrischen, kausal bestimmten Quantenstruktur angesehen werden. Sie bieten insbesondere die Möglichkeit, auf der Substratebene neben quantengeometrischen auch materielle Freiheitsgrade in Form topologischer Strukturen zu implementieren. Für eine präraumzeitliche Substratebene gäbe es auch kaum noch eine Rechtfertigung für die Unterscheidung in geometrogenetische und materiegenetische Freiheitsgrade.

Bisher können sich jedoch alle Ansätze zur Quantengravitation ausschliesslich auf Indizien aus den etablierten, empirisch gestützten Vorläufertheorien sowie auf Argumente der konzeptionellen Kohärenz stützen. Relevante empirische Daten, die über die Vorläufertheorien hinausweisen, liegen nicht vor.

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