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FAQ

Sektionsredner

Priv.-Doz. Oliver Hallich (Düsseldorf) - Curriculum Vitae
Angewandte Ethik im Spannungsfeld zwischen Lebenswelt und Wissenschaft. Wie lassen sich moralische Prinzipien mit Einzelfallurteilen vermitteln?

Abstract

In der angewandten Ethik zeigt sich das Spannungsverhältnis zwischen Lebenswelt und Wissenschaft vor allem im Problem der Vermittlung der im Rahmen einer ethischen Theorie gewonnenen und begründeten moralischen Prinzipien mit konkreten Einzelfallentscheidungen. Zur theoretischen Fundierung dieser Vermittlung werden drei Modelle unterschieden:

(i) Das deduktivistische Modell versucht, zu Einzelfallentscheidungen auf dem Wege einer logischen Deduktion zu gelangen. Es ist epistemisch fundamentalistisch, weil es eine ethische Theorie voraussetzen muss, die im Rahmen des Begründungsverfahrens der Kritik entzogen wird.

(ii) Das z.B. von Jonsen/Toulmin vertretene kasuistische Modell versucht, ausgehend von (intuitiv gesteuerten) Einzelfallbeurteilungen zu moralischen Prinzipien zu gelangen, die als Systematisierungen der Einzelfallbeurteilungen angesehen werden. Es ist ebenfalls fundamentalistisch, da es die für die Einzelfallbeurteilungen maßgeblichen Intuitionen als grundlegend ansieht und der Kritik entzieht.

(iii) Das von Rawls und in der Medizinethik vor allem von Beauchamp/Childress vertretene kohärentistische Modell hingegen versucht, in einem systematischen Hin-und Hergehen zwischen Einzelfallbeobachtungen und moralischen Prinzipien diese miteinander kohärent zu machen, und beansprucht dabei, keines der miteinander in Übereinstimmung zu bringenden Elemente als immun gegenüber Kritik anzusehen.

Ziel meines Beitrages ist es, ein Modell der Vermittlung von Prinzip und Einzelfall vorzuschlagen, das eine Alternative zu den drei genannten Modellen darstellt, indem es kohärentistische und fundamentalistische Elemente integriert.

Dieses Modell wird in einem ersten Schritt über eine Kritik des Kohärentismus eingeführt. Dabei wird folgendes Argument entfaltet: Im Rahmen eines kohärentistischen Modells müssen moralische Prinzipien spezifiziert, also mit Inhalt gefüllt werden, um die Anwendung abstrakter Normen auf den Einzelfall zu gewährleisten. Diese Spezifikation ist mit der Notwendigkeit einer Explikation, d.h. einer präzisierenden Bedeutungsfestlegung, von in abstrakten moralischen Prinzipien auftauchenden vagen Begriffen verbunden. So etwa erfordert die Spezifikation des allgemeinen Prinzips „Keine Person darf getötet werden“ die Explikation des semantisch unscharfen Begriffes der Person: Es muss z.B. entschieden werden, ob Embryonen unter den Begriff der Person fallen sollen oder nicht. Diese Explikation ist aber selbst normativ gesteuert: Die Frage, wie sie vorgenommen werden soll, kann nur im Lichte vorausgesetzter moralischer Prinzipien – die ich Hintergrundprinzipien nennen möchte – entschieden werden, die im Rahmen der Prinzipienanwendung selbst nicht der Kritik ausgesetzt werden. Die Angewiesenheit der Prinzipienspezifikation auf solche (z.B. utilitaristischen oder deontologischen) „Hintergrundprinzipien“ zeigt, dass auch der Kohärentismus nicht umhin kann, bestimmte Elemente des Begründungsverfahrens bei der Prinzipienanwendung als immun gegenüber Kritik anzusehen, also fundamentalistische Elemente zu integrieren.

In einem zweiten Schritt wird das hieraus resultierende Modell der Prinzipienanwendung als ein „dritter Weg“ zwischen Kohärentismus und Fundamentalismus charakterisiert. Es bewahrt die – etwa in Rawls’ Theorie des Überlegungsgleichgewichts formulierte – Grundidee des Kohärentismus, zu Einzelfallentscheidungen auf dem Wege eines Abgleichs zwischen Einzelfallurteilen und allgemeinen Prinzipien zu gelangen und sieht weder Einzelfallurteil noch Prinzipien als kritikresistent an. Es unterscheidet sich jedoch vom Kohärentismus etwa Beauchamps und Childress’ durch das Eingeständnis, das die Anwendung eines Prinzips auf den Einzelfall ihrerseits von moralischen Prinzipien gesteuert ist, die selbst im Rahmen des Vermittlungsprozesses nicht begründet werden können und insofern „fundamental“ sind.

Im abschließenden Teil werden einige methodologische Konsequenzen aufgezeigt, die sich bei der Anwendung des vorgeschlagenen Modells auf konkrete medizinethische Fragen ergeben. Bei der Bewertung der Korrektheit einer Prinzipienanwendung sollten kohärentistische und fundamentalistische Elemente voneinander isoliert werden; d.h. es sollten insbes. die für die Explikation vager Begriffe verantwortlichen Hintergrundprinzipien explizit gemacht werden. Eine Beurteilung der Adäquatheit einer Prinzipienanwendung hat bei der Beurteilung dieser Hintergrundprinzipien anzusetzen – so dass z.B. nicht zu fragen ist, „ob der Embryo eine Person ist oder nicht“, sondern vielmehr, ob das Hintergrundprinzip, das die Explikation des Personenbegriffes steuert und aufgrund dessen der Embryo eine (keine) Person genannt wird, intersubjektiv verbindlich und akzeptabel ist. Am Beispiel konträrer Positionen zu Fragen des Embryonenschutzes wird veranschaulicht, dass das vorgeschlagene Modell einen Gewinn an Transparenz über die normativen Grundlagen der Anwendung moralischer Prinzipien auf den Einzelfall erhoffen lässt.

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Curriculum Vitae von Priv.-Doz. Oliver Hallich

Studium:
  • Bis 1994: Germanistik, Philosophie, Anglistik (Universität Hamburg). Abschluss: Magister
Promotion:
  • 1995: Studien zum "Gregorius" Hartmanns von Aue (Universität Hamburg)
Habilitation:
  • 2007: Die Rationalität der Moral. Eine sprachanalytische Grundlegung der Ethik (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Ethik, bes. Metaethik
  • Sprachphilosophie, bes. Pragmatik
  • Englische Aufklärung, bes. Hume
Berufliche Stationen:
  • 1995 - 2001: Lehrbeauftragter
  • 2001 - 2007: Wissenschaftlicher Assistent
  • seit 2007: Privatdozent
Wichtigste Publikation(en):
  • Die Rationalität der Moral. Eine sprachanalytische Grundlegung der Ethik, Paderborn 2008 (i.E.)
  • Richard Hares Moralphilosophie. Metaethische Grundlagen und Anwendung, Freiburg/München 2000
  • Mitleid und Moral. Schopenhauers Leidensethik und die moderne Moralphilosophie, Würzburg 1998
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