Sektionsredner
Dr. Silja Graupe (Bonn) - Curriculum Vitae
Was ist Wissen? – Ein Beitrag der interkulturellen Philosophie zu einer Neuorientierung des Wissensverständnisses in der Ökonomie
Abstract
In Zeiten wirtschaftlicher Globalisierung ist die Philosophie gefordert, sich wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen einerseits und wirtschaftspolitischen Problemlagen andererseits zuzuwenden – und dass in einer die Kulturen übergreifenden, also interkulturellen Perspektive. Doch wie kann sich die Interkulturelle Philosophie in einen zumeist streng fachwissenschaftlich geführten Dialog einmischen, zumal in einer Sozialwissenschaft, die sich nach eigenem Verständnis als Science im strengen Sinne und damit als kulturlos versteht? In meinem Vortrag werde ich dieser Frage im Spannungsfeld zwischen „Ost“ und „West“ nachgehen, indem ich die Beiträge zur Wissenschaftsphilosophie von Nishida Kitaro, dem Begründer der modernen Philosophie in Japan, einerseits und Bernhard Lonergan, dem kanadischen Philosophen und Theologen, andererseits für die zentrale ökonomische Fragestellungen nach der „Natur“ des Wissens fruchtbar mache.
„Wissen“ ist zweifellos ein zentrales Element unserer heutigen Wirtschaft und Gesellschaft. Dennoch besteht in der Ökonomie keinerlei Einigkeit darüber, wie dieses zu fassen ist. Meine Kernthese ist, dass die Wirtschaftswissenschaften zwar verschiedene Konzepte über das Wissen entworfen haben, nicht aber erklären, wie wir bestehendes Wissen erlangen und neues Wissen in Wissenschaft und Gesellschaft schaffen. Was fehlt, ist ein dynamisches und kreatives Wissensverständnis, das dem Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) in der globalisierten Wirtschaft gerecht wird. Die Aufgabe der Philosophie, so versuche ich im Licht eines interkulturellen Dialogs zwischen Nishida und Lonergan zu zeigen, ist in diesem Falle nicht, neue Wissenskonzepte von außen an die Wirtschaftswissenschaften heranzutragen, sondern von innen her Einsicht in diejenigen kognitiven Prozesse zu vermitteln, die implizit dem dynamischen Prozess der Wissensgenerierung in der Ökonomie zugrunde liegen. In einer Abkehr von den konkreten Inhalten der Wirtschaftswissenschaften und einer Hinwendung zu deren Methodologie wird die kritische Selbst-Reflexion des wissenschaftlichen Beobachters zum Ziel der Philosophie; eine Reflexion, die nicht bloß neue Einsichten in die allgemein anerkannten, zumeist aber implizit bleibenden Koordinatensysteme ökonomischen Wissens vermittelt, sondern diese Systeme selbst schöpferisch überschreitet und damit den Zugang zu immer neuen Wissensformen eröffnet.
Curriculum Vitae von Dr. Silja Graupe
- Bis 2000: Wirtschaftsingenieurwisen (TU Berlin). Abschluss: Dipl. Ing
- 2005: Der Ort ökonomischen Denkens - Die Methodologie der Wirtschaftswissenschaften im Licht japanischer Philosophie (TU Berlin)
- Universität zu Köln
- Interkulturelle Ökonomie
- Japanische Philosophie
- seit 2005: Post-Doc Researcher, Universität Köln
- seit 2008: Visiting Research Fellow, Hitotsubashi Universität, Tokio
- Der Ort ökonomischen Denkens - Die Methodologie der Wirtschaftswissenschaften im Licht japanischer Philosophie, Frankfurt: Ontos 2005
- The Basho of Economics, An Intercultural Analysis of the Process of Economics, Frankfurt: Ontos 2007