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FAQ

Sektionsredner

Dr. Thorsten Galert (Bad Neuenahr-Ahrweiler) - Curriculum Vitae
Die Bedeutung des Authentizitätsbegriffs für die Ethik des Neuroenhancements

Abstract

In den letzten Jahrzehnten haben Erkenntnisfortschritte innerhalb der Neurowissenschaften eine Reihe von Möglichkeiten eröffnet, verbessernden Einfluss auf die menschliche Psyche zu nehmen. Wenn es bei solchen Interventionen nicht um die Behandlung psychiatrischer oder neurologischer Störungen, sondern vielmehr um die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten oder der emotionalen Befindlichkeit über das „normale“, „natürliche“ bzw. „nicht krankhaft veränderte“ Maß hinaus geht, so spricht man von „Neuroenhancement“.

Innerhalb der Medizinethik wird eine stark polarisierte Debatte zu der Frage geführt, ob Möglichkeiten des Neuroenhancements grundsätzlich oder zumindest in bestimmten Anwendungsfällen moralisch fragwürdig sind. Die Bedenken der Skeptiker beziehen sich zum einen auf negativ bewertete Folgen, die Maßnahmen des Neuroenhancements auf diese nutzende Personen haben könnten, zum anderen auf mögliche soziale Folgen einer verbreiteten Anwendung solcher Maßnahmen.

In der Auseinandersetzung über die Auswirkungen von Neuroenhancement auf individuelle Anwender spielt der Authentizitätsbegriff eine zentrale Rolle. Auffällig ist dabei, dass sich sowohl die Gegner als auch die Befürworter des Neuroenhancements seiner bedienen. So argumentieren die Gegner, dass pharmazeutisch oder medizintechnisch vermittelte Leistungs- oder Befindlichkeitsverbesserungen nur um den Preis der „Selbstentfremdung“ zu erlangen seien. Neuroenhancement untergrabe die Authentizität der Anwender, weil diese sich mit im enhancten Zustand erzielten Errungenschaften nicht „identifizieren“ könnten. Die Befürworter halten dem entgegen, dass Menschen immer schon auf allerlei Hilfsmittel bei der Entfaltung ihrer ureigenen Möglichkeiten zurückgegriffen haben, so dass ein effizientes Neuroenhancement allererst den Schlüssel zur Realisierung des authentischen Selbst liefern könne. Zum Beleg verweisen sie auf Erlebnisberichte von Personen, die bestimmte Antidepressiva eingenommen haben, ohne an einer klinischen Depression zu leiden, und unter deren Einfluss angeben, sich erstmals wirklich „wie sie selbst“ zu fühlen.

Es ist ein Hinweis auf die ungeklärte Bedeutung des Authentizitätsbegriffs, dass dieser von den Vertretern gegensätzlicher Positionen herangezogen werden kann. Im Rahmen des geplanten Vortrags sollen zunächst die unterschiedlichen Authentizitätskonzepte analysiert werden, auf deren Grundlage Neuroenhancement mal als authentizitätsfördernd, mal dagegen als authentizitätsgefährdend erscheinen kann. Dabei wird zum einen der enge Zusammenhang zwischen dem Authentizitäts- und dem Autonomiebegriff dargestellt werden. Zum anderen soll der Begriff des „wahren Selbst“ genauer untersucht werden, auf den immer dann zurückgegriffen wird, wenn „authentisch sein“ als „sich im Einklang mit dem wahren Selbst befinden“ expliziert wird.

In konstruktiver Perspektive wird sich ein Vorschlag zur Verwendungsweise des Authentizitätsbegriffs anschließen, der bestimmte metaphysische Präsuppositionen vermeidet, die im begriffsanalytischen Teil aufgezeigt und kritisiert wurden. Es soll argumentiert werden, dass Personen, die von Maßnahmen des Neuroenhancements Gebrauch machen, durchaus in eine Krise ihres Selbstverständnisses geraten können. Demnach hat das Unbehagen, das Enhancement-Kritiker mit Hilfe des Authentizitätsbegriffs artikulieren, einen plausiblen Kern. Allerdings lässt sich nicht nachvollziehen, dass Neuroenhancement zwangsläufig zu Inauthentizität führen muss. Und selbst wenn es dies bei bestimmten Personen tut, ergibt sich daraus keine überzeugende Grundlage für die moralische Ächtung oder gar ein rechtliches Verbot des Neuroenhancements. Authentizitätsbedenken mögen den Einzelnen veranlassen, im Interesse am eigenen gelingenden Leben auf bestimmte Maßnahmen des Neuroenhancements zu verzichten, sie legitimieren jedoch kein ethisches Verdikt solcher Maßnahmen.

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Curriculum Vitae von Dr. Thorsten Galert

Studium:
  • Bis 1997: Philosophie, Chemie (Philipps-Universität Marburg, Universität Wien). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • 2004: Vom Schmerz der Tiere. Grundlagenprobleme der Erforschung tierischen Bewußtseins (Philipps-Universität Marburg)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen GmbH
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Medizinethik und Neuroethik
  • Wissenschaftstheorie der Psychologie und der Neurowissenschaften
  • Philosophie des Geistes
Berufliche Stationen:
  • 2003 - 2003: Wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • 2004 - heute: Projektkoordinator
Wichtigste Publikation(en):
  • Galert T (2005) Vom Schmerz der Tiere. Grundlagenprobleme der Erforschung tierischen Bewusstseins. Paderborn: Mentis
  • Merkel R, Boer G, Fegert J, Galert T, Hartmann D, Nuttin B, Rosahl S (2007) Intervening in the Brain. Changing Psyche and Society. Berlin: Springer
  • Galert T (2008, in press) Wie mag Neuro-Enhancement Personen verändern? In: Schöne-Seifert B, Ach J, Talbot D (eds) Neuro-Enhancement. Ethik vor neuen Herausforderungen. Paderborn: Mentis
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