Sektionsredner
Bastian Fischer, M.A. (Saarbrücken) - Curriculum Vitae
Newcombs Paradoxie – und einige ihrer verfehlten Lösungsansätze
Abstract
Newcombs Paradoxie ist eines der verzwicktesten Entscheidungsdilemmata und zugleich eines, für das noch keine Standardlösung existiert. Das Dilemma ist, wie Frydman et al. (1982) nachwiesen, durchaus in der aktualen Welt anzutreffen, etwa in Gestalt bestimmter Versionen der in der Volkswirtschaftswissenschaft analysierten Zeit-Inkonsistenz-Probleme. Die Paradoxie ist zudem aufschlussreich für wissenschaftstheoretische Grundlagenfragen zur Verursachung und zu einem natürlich-nomologischen Determinismus und in diesem Rahmen Aufhängepunkt für den Widerstreit zwischen Vertretern einer kausalen Entscheidungstheorie einerseits, der zufolge rationale Handlungen um dessen willen, was sie verursachen, ausgeführt werden, und einer evidentiellen Entscheidungstheorie andererseits, der zufolge solche Handlungen – eventuell bloß – um dessen willen getan werden, wofür sie Belege liefern.
In der Paradoxie, die zunächst dargestellt wird, geht es um eine Entscheidung, bei welcher die für die entscheidende Person günstigen oder ungünstigen Weltverhältnisse durch eine verlässliche Vorhersage bestimmt worden sind, welche gerade die Entscheidung des Akteurs selbst zum Gegenstand hat. Es ergeben sich zwei mögliche Handlungsstrategien ("Eine-Box-Strategie" und "Zwei-Boxen-Strategie") als Entscheidungsoptionen, welche sich gegenseitig ausschließen, sich aber beide durch scheinbar gleich starke Argumente stützen lassen. In diesem Sinne liegt eine praktische sowie erkenntnistheoretische Paradoxie vor.
Die Eine-Box-Strategie hat das Induktionsprinzip und bei gewissen weiteren Voraussetzungen das Prinzip der Maximierung des zu erwartenden Nutzens auf seiner Seite, die Zwei-Boxen-Strategie wird aber durch eine evidente Empfehlung eines helfenden Beraters in der Entscheidungssituation sowie das entscheidungstheoretische Dominanzprinzip als die profitablere ausgewiesen. Aus der Beraterempfehlung und der induktiven Verlässlichkeit des Vorhersagers, welche die Eine-Box-Lösung stützt, möchte etwa Schlesinger (1974) einen deduktiven Widerspruch ableiten, der die Zwei-Boxen-Strategie seines Erachtens als die profitablere plausibel macht und die Eine-Box-Strategie ad absurdum führt (211 ff.). Unseres Erachtens läuft dieser Ansatz für eine Verteidigung der Zwei-Boxen-Strategie allerdings darauf hinaus, lediglich die beiden prima facie zumindest gleich mächtigen Hörner des Entscheidungsdilemmas gegeneinander zu wetzen, und es mangelt ihm an substantielleren Erwägungen.
Alle der bisher für Newcombs Problem angebotenen Lösungen sind, genau betrachtet, entweder fehlerhaft oder mindestens insofern mit einer bösartigen Zirkularität behaftet, als an entscheidenden Stellen zumindest implizit vorausgesetzt wird, dass – bei Monobox-Lösungen – das vorhersagende Wesen mit notwendiger Sicherheit die Handlungen des Akteurs richtig vorhersagen kann oder dass – bei Duobox-Lösungen – das Wesen die Handlungen eben nicht mit notwendiger Sicherheit korrekt vorhersagen kann. Die viel ersprießlichere Frage, ob eben empirisch das eine oder das andere dieser disjunktiven Dichotomie plausibel ist, wird jedenfalls in der Diskussion der Paradoxie selbst selten überhaupt auch nur angesprochen.
Zum Stützen dieser Grundthese werden die Lösungsansätze von Bach (1987), Lenzen (1997), Schmidt (1998) und Ledwig (2000; 2001) analysiert und einer Kritik unterzogen.
Bach schließt von vornherein explizit aus, dass man als Akteur seinen gesamten psychologischen Zustand kennen kann, auf welchem die Vorhersage des Wesens beruhen könnte. Lenzen erwägt zur Begründung der Zwei-Boxen-Strategie ein indeterministisches Szenarium, das auf unbegründete Annahmen hinsichtlich der Philosophie der Wahrscheinlichkeit angewiesen ist. Schmidt entwirft ein Modell zur Möglichkeit von Rückwärtskausalität, enthält jedoch aus relativitätstheoretischen Gründen einen grundlegenden Fehler. Ledwig (2000), eine Duoboxerin, betrachtet die Entscheidungssituation als "Spiel gegen die Natur"; die Vorhersage des Wesens wird als reines Naturereignis aufgefasst. Diese Betrachtungsweise impliziert, dass die Entscheidung des Akteurs, wenn auch nicht probabilistisch, so doch kausal unabhängig ist von der jeweiligen Ausgangslage für die Entscheidungssituation. Aber auch Ledwigs Begründung für das Einnehmen dieser Position ist, wie erläutert wird, mehr schlecht als recht.
Schlussfolgernd will ich erklären, dass auf der Suche nach einer angemessenen Lösung für das Dilemma das Augenmerk wohl auf die Frage zu richten ist, welche Formulierungen und Hintergrundbedingungen des Newcomb-Problems nach allem, was wir wissen, die empirisch kohärenteren sind und ob eben das Wesen nun notwendigerweise richtig vorhersagt oder eine Widerspenstigkeit gegen seine Vorhersage möglich ist, was, wenn wahr, der Eine-Box-Lösung einen Großteil ihrer argumentativen Basis entzöge. Eine solche Argumentationsstrategie will ich nach meiner Kritik an den bisherigen Lösungsversuchen kurz vorstellen.
Curriculum Vitae von Bastian Fischer, M.A.
- Bis 2008: Philosophie, Amerikanistik, Komparatistik (Universität des Saarlandes). Abschluss: M.A.
- 2008: Vorhersage, Entscheidung, Verursachung -- Zur Analyse einiger dilemmatischer Konstellationen in der Entscheidungstheorie (Universität des Saarlandes)
- Universität des Saarlandes
- Wissenschaftstheorie
- Philosophie des Geistes
- Entscheidungstheorie
- Feb. 2006 - Aug. 2007: Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Formale Ontologie und Medizinische Informationswissenschaft (IFOMIS)
- Okt. 2007 - Feb. 2008: Tutor am Lehrstuhl für Theoretische Philosophie (Ulrich Nortmann)
- Fischer, B., Weiller, D. (im Erscheinen). 'Phenomenal Consciousness: Sensorimotor Contingencies and the Constitution of Objects.' Conference Proceedings ECAP 2007. IOS Press.