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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Julia Dietrich (Tübingen) - Curriculum Vitae
Worin besteht ethische Kompetenz? Ethische Orientierung als Begründung einer Entscheidung unter Unsicherheit

Abstract

Mit dem Aufschwung der sogenannten Angewandten Ethik haben sich eine Vielzahl ethischer Urteilsbildungsmodelle entwickelt: Sie entstammen den ethischen "Stammdisziplinen" der Philosophie, der evangelischen und katholischen Theologie bzw. der Rhetorik und Argumentationstheorie oder aber sind bereichsethisch geprägt und z. B. auf die Medizin- und Bioethik oder Technik- und Umweltethik u. a. zugeschnitten. Weitere Versuche, ethische Kompetenz als solche auszuweisen und gezielt zu fördern, finden sich außerdem in der Theorie der partizipativen Technikfolgenabschätzung sowie in den schulischen Didaktiken. Angesichts dieser Vielfalt stellt sich die Frage, ob sich eine philosophisch fundierte Grundstruktur ethischer Urteilsbildung herauskristallisieren lässt, die geeignet ist, eine übergreifende Definition ethischer Kompetenz zu begründen und verschiedene Dimensionen, Ziele und Entwicklungspotentiale ethischer Kompetenz systematisch zu unterscheiden. Diese Frage wird mit vier Thesen bejaht: Zur Unterscheidung der Dimensionen ethischer Kompetenz im engeren Sinne eignet sich – so die erste These – eine Interpretation des Praktischen Syllogismus, die ihn als eine um ihre kritische Reflexion erweiterte, im Verhältnis ihrer Elemente flexibilisierte und fundamentalethisch weitgehend geöffnete Argumentations- und Rechtfertigungsstruktur versteht. Eine solche Grundstruktur weist drei ethische Basiskompetenzen als solche aus, nämlich die Kompetenzen der Wahrnehmung, der Wertung und des Urteilens sowie ihre jeweilige Reflexion und Begründung. Als Definition für ethische Kompetenz wird dementsprechend die folgende Formulierung vorgeschlagen: Ethische Kompetenz umfasst die Fähigkeit zur Wahrnehmung eines Sachverhalts bzw. einer Situation als ethisch relevant einschließlich ihrer begrifflichen, empirischen und kontextuellen Prüfung (wahrnehmen), die Fähigkeit zur Formulierung von einschlägigen präskriptiven Prämissen zusammen mit der Prüfung ihrer Einschlägigkeit, ihres Gewichts, ihrer Begründung, ihrer Verbindlichkeit und ihrer Anwendungsbedingungen (bewerten) sowie die Fähigkeit zur Urteilsbildung und der Prüfung ihrer logischen Konsistenz, ihrer Anwendungsbedingungen und ihrer Alternativen (urteilen). Diese Fähigkeiten können auf strebens- und sollensethische Fragestellungen bezogen werden und eine individuelle oder sozial-diskursive Form annehmen. Ethische Kompetenz ist dabei - so die zweite These - an zwei Zielen zugleich orientiert, nämlich sowohl an praxisrelevanter Urteilsfindung und Handlungsorientierung einerseits als auch an radikaler Problemerschließung und Begründung andererseits. Es lassen sich daher auch - dies die dritte These - zwei verschiedene Weisen der Gradualisierung ethischer Kompetenz unterscheiden, nämlich eine handlungsorientierte, in der Wissen zunehmend implizit wird und in der sich “Könnerschaft” entwickelt, und eine reflexionsorientierte, in der Wissen zunehmend explizit und abstrakt wird und in der ethische “Expertenschaft” entsteht. Über die gemeinsame Grundstruktur der drei ethischen Basiskompetenzen werden Könner- und Expertenschaft einerseits aufeinander bezogen, andererseits aber zugleich auch als zwei verschiedene Dimensionen ethischer Kompetenz bzw. ethischer Urteilskraft bewahrt, die sich nicht ineinander überführen lassen, sondern sich gegenseitig regulieren. Soll ihr gegenseitiger Konflikt nicht durch Dezision oder Opportu¬nismus, sondern mit Gründen gelöst werden, muss - dies die vierte These - die Begründungstiefe, mit der die Prüfung der Elemente vorgenommen wird, theoriegeleitet nicht nur in ihrer sachlichen, sondern auch in ihrer moralischen Angemessenheit begründet werden. Ethische Urteilsbildung ist in diesem Sinne prinzipiell als die Begründung einer Entscheidung unter Unsicherheit zu verstehen, welche die Radikalität philosophischer Infragestellung berücksichtigt, aber zugleich dem Ziel der Handlungsorientierung genügen kann.

Es entsteht somit ein integratives Profil ethischer Kompetenz im Spannungsfeld zwischen Handlungsorientierung und Problemerschließung, das - so soll abschließend in einem Ausblick gezeigt werden – nicht nur dazu beitragen kann, die Rolle der Wahrnehmung bei der ethischen Urteilsfindung zu stärken, über das Verhältnis von sogenannten ethischen LaiInnen und ExpertInnen nachzudenken oder verschiedene ethische Bildungsziele zu unterscheiden, sondern insbesondere auch erlaubt, ethische Abwägung und Urteilskraft wesentlich detaillierter zu beschreiben als die Rede von bestimmender und reflektierender Urteilskraft vermuten lässt.

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Curriculum Vitae von Dr. Julia Dietrich

Studium:
  • Bis 1992: Philosophie, Neuere Dt. Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft (Bonn, München). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • 2007: Ethische Urteilsbildung - ethische Grundbildung. Zu Methode und Vermittlung Angewandter Ethik (Technische Universität Dresden)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Universität Tübingen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Angewandte Ethik
  • Didaktik der Ethik
  • Leiblichkeitstheorien, Schmerz
Berufliche Stationen:
  • 1992 - 1995: Stipendiatin Graduiertenkolleg Ethik in den Wissenschaften
  • 1996 - 2000: Wiss. Mitarbeiterin Forschungsprojekt
  • 2001 - heute: Koordinatorin des Arbeitsbereichs Ethik und Bildung des IZEW
Wichtigste Publikation(en):
  • Dietrich, Julia (in Vorbereitung): Ethische Urteilsbildung. Zu Methode und Vermittlung Angewandter Ethik
  • Dietrich, Julia; Müller-Koch, Uta (Hg.) (2006): Ethik und Ästhetik der Gewalt. Paderborn: Mentis
  • Dietrich, Julia (2006): Grundzüge einer Ethik der Ethik. In: Berendes, Jochen (Hg.): Autonomie durch Verantwortung. Impulse für die Ethik in den Wissenschaften. Paderborn: Mentis. S. 111-146
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