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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Cordula Brand, M.A. (Tübingen) - Curriculum Vitae
Personale Identität – ein naturalistischer Ansatz

Abstract

„Personale Identität“ ist ein Fachbegriff der analytischen Philosophie, der aktuell Eingang in Debatten der anwendungsbezogenen Ethik, vor allem der Neuro- und der Medizinethik, findet. „Personale Identität“ bezeichnet die Tatsache, dass Menschen sich im Laufe ihres Lebens normalerweise als identisch mit sich selbst erleben und erlebt werden. In der Literatur werden vor allem drei Herangehensweisen zur Klärung des Begriffs diskutiert: Ein biologischer Ansatz, eine multi-kriteriale Theorie sowie narrative Ansätze.

Diese Theorien weisen jedoch jeweils Probleme auf, die eine Überarbeitung notwendig machen. Dabei zeigt sich, dass auf ihrer Basis ein naturalistisches Kriterium der personalen Identität entwickelt werden kann. Dieses entschärft einerseits einige der Probleme und leistet andererseits in der Praxis anwendungsbezogener ethischer Überlegungen einen hilfreichen Beitrag.

Zunächst werden die Gemeinsamkeiten der genannten drei Basis-Theorien, z.B. die einheitlich verwendete Unterscheidung zwischen „Personalität“ und „personaler Identität“ oder die von allen gebrauchte perdurantistische Persistenz-Theorie dargestellt. Anhand der Unterschiede der drei Ansätze lassen sich im Anschluss nicht nur ihre spezifischen Merkmale sondern auch die jeweilige Problemsituation schildern. So zeigt sich, dass der biologische Ansatz mit dem Ausschluss der Erste-Person-Perspektive zu kämpfen hat. Die multi-kriteriale Theorie hingegen verfolgt die Naturalisierungsprozedur nicht konsequent genug. Der narrative Ansatz schließlich kommt durch seinen starken Bezug auf das episodische Gedächtnis in Bedrängnis.

Das hier vorzustellende naturalistische Kriterium macht sich zunächst die Ausgangsbasis des biologischen Kriteriums zunutze und untersucht die diachrone menschliche Persistenz. So können einerseits Veränderungen, die einem Organismus widerfahren, integrieren werden andererseits steht eine rein deskriptive Beschreibungsebene zur Verfügung. Anders als das biologische Kriterium arbeitet das naturalistische Kriterium jedoch mit dem so genannten „Intrinsitätsprinzip“. Dieses Prinzip reduziert die die Relata beeinflussenden Faktoren auf die den fraglichen Organismen intrinsischen Eigenschaften. Dabei handelt es sich um eine Relation, die graduelle Abstufungen erlaubt und in bestimmten Situationen uneindeutig sein kann.

Ähnlich wie der multi-kriteriale Ansatz arbeit der naturalistische Ansatz mit verschiedenen Relata. Während sich das biologische Kriterium lediglich auf körperliche Kriterien stützt und der narrative Ansatz primär mit einem Gedächtnis-Kriterium arbeitet, werden beide Arten von Kriterien im naturalistischen Ansatz integriert.

Ein Kriterium, welches allein körperliche Aspekte verwendet, ist nicht in der Lage, der Notwendigkeit der psychologischen Prozesse gerecht zu werden, die bei der Beurteilung der Persistenz von menschlichen Organismen eine große Rolle spielen. Räumt man hingegen psychologischen Prozessen den Vorrang ein, so ergibt sich ein Zirkularitätsproblem. Da die neurowissenschaftliche Forschung jedoch zeigt, dass psychologische und körperliche Prozesse keine voneinander unabhängigen Vorgänge sind, ist es möglich, diese Dichotomie in einem naturalistischen Kriterium aufzuheben. Dabei wird im Unterschied zum multi-kriterialen Ansatz von einem Verständnis der Erste-Person-Perspektive ausgegangen, welches eine Naturalisierung der fraglichen Elemente erlaubt. Daher kann sowohl der Erste- als auch der Dritte-Person-Perspektive einen Stellenwert in der Theorie eingeräumt werden. Darüber hinaus arbeitet der naturalistische Ansatz mit weniger Relata und ist daher in der Praxis leichter zu handhaben.

Es lässt sich z.B. zeigen, inwiefern der Einsatz von neuronalen Implantaten bei Morbus Parkinson unter gewissen Voraussetzungen geringere ethische Probleme aufwirft, als es bei der Behandlung psychischer Implikationen der Fall ist. Bei Parkinson-Patienten zeigen sich zwar Veränderungen der Persönlichkeit, jedoch keine Veränderungen der Persistenz und keine Veränderung der Personalität – verstanden als diejenigen Fähigkeiten, die die Zuschreibung des Person-Status rechtfertigen. Bei neuronalen Implantaten, die zur Behandlung psychischer Indikationen, wie z.B. bei schweren Depressionen, eingesetzt werden, kommt es zu gewünschten wie ungewünschten Persönlichkeitsveränderungen. Zudem ist, abhängig vom Ort der Stimulation, sowohl eine Veränderung der Persistenz als auch der Personalität denkbar. Setzt man voraus, dass es sich bei der Persistenz und/oder der Personalität um ein schützenswertes Gut handelt, sind letztere Eingriffe ethisch problematischer.

 

Dieser praktische Fall zeigt, dass das naturalistische Kriterium nicht nur einige Probleme theoretischer Natur umgeht sondern auch im anwendungsbezogenen Bereich zu einer Klärung wichtiger Fragestellungen beitragen kann.

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Curriculum Vitae von Cordula Brand, M.A.

Studium:
  • Bis 2003: Philosophie, Germanistik, Anglistik (Duisburg-Essen). Abschluss: M.A.
Promotion:
  • 2008: Personale Identität - Analytische Philosophie, Ethik und Naturwissenschaften in Kontakt (Tübingen)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Tübingen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Philosophie des Geistes
  • Neuroethik
  • Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften
Berufliche Stationen:
  • 2004 - 2006: Promotionsstipendium der DFG im GRK 889/1 "Bioethik"
  • 2007: Wissenschaftliche Koordinatorin des Graduiertenkollegs "Bioethik" (GRK 889/2)
Wichtigste Publikation(en):
  • C. Brand, E.-M. Engels, A. Ferrrai, L. Kovács (Hg.): Wie funktioniert Bioethik? Paderborn: Mentis 2008
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