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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Hanno Birken-Bertsch (Dreieich)
Lebenswelt, Begriff und Wissenschaft. Zur Epistemologie des Wissens

Abstract

[Der Vortrag zielt darauf deutlich zu machen, was durch ein disjunktivistisches Verständnis des Wissens erhellt wird und was im dunkeln bleibt und durch Forschung aufgeklärt werden muß. Knackpunkt ist die unterschiedliche Epistemologie begrifflicher und forschender Herangehensweisen. Ausgangspunkt ist das Kongreßthema.]

Die Entgegensetzung von Lebenswelt und Wissenschaft ist verbreitet, ja der Ausdruck “Lebenswelt” wurde in die Philosophie eingeführt, um die Lebensweltfremdheit der modernen Wissenschaften benennen zu können. Die Lebenswelt ist aber eine bunte, und diese Entgegensetzung daher ein Irrtum.

Tatsächlich stehen sich, wenn man denn nach einer vergleichbaren Opposition suchen will, Begriff und Forschung gegenüber. In der Lebenswelt findet sich beides, als Vergewisserung dessen, was gemeint ist, und als Suche danach, wie die Dinge sich verhalten mögen, mehr oder weniger miteinander verwoben und einander ergänzend. Die Forschung muß mit Begriffen anfangen. Wenn erforscht werden soll, was Wissen ist, ist zuerst auf das schauen, was als “Wissen” bezeichnet wird. Die Forschung wird sich nur dann sehr bald davon entfernen und die alltägliche Subsumption von Gegenständen unter den Begriff durch ein starres, wiederholbares Verfahren ersetzen. Die Lebenswelt braucht nicht nur den Begriff, sondern auch jene Verfahren, deren Großform dann die Wissenschaft darstellen.

Begriff und Forschung bewegen sich voneinander weg, sobald sie einen Schritt tun. Hat die Biologie das Wissen der Ameisen erforscht, die Soziologie die Wege des Wissens in der Gesellschaft nachgezeichnet, die Entwicklungspsychologe das Verhältnis von vertikalem und horizontalem Wissenserwerb untersucht und die Hirnforschung die Erregungsmuster von Zuständen des Wissens mit solchen des Meinens verglichen, dann kehren sie möglicherweise von ihren Forschungen mit der Botschaft zurück, nun müsse man den Begriff des Wissens ändern, weil sich alles ganz anders verhalte als erwartet.

Die Verteidiger der Begriffe aber, sie lächeln nur leise – unseren Begriffen kann keine Forschung etwas anhaben. Keine Biologie oder Hirnforschung kann etwas daran ändern, daß Wissen einem plausiblen Vorschlag zufolge *die Fähigkeit ist, aus solchen Gründen heraus zu handeln, die Fakten sind* (Hyman 1999, 2001). Was Fakten sind, bleibt offen. Man kann sagen, die Erklärungsnot sei nur weitergereicht worden, oder aber, es sei der Zusammenhang zwischen zwei Grundbegriffen erhellend herausgearbeitet worden.

Doch hat die forschende Herangehensweise längst auch in die Sphäre der Begriffe Nachahmung gefunden. Wissen wird sehr gerne als *begründete wahre Meinung* verstanden. Daß ein solches Verständnis keine Analyse des Begriffs des Wissens ist, sondern als Beitrag zur Erforschung dessen, was Wissen ist, eingeordnet werden muß, ist einerseits durch Gettiers Gegenbeispiele (1963), andererseits durch die Kritik an konjunktivistischen Denkfiguren in den letzten Jahrzehnten zunehmend deutlich geworden (Snowdon 1980/81, 2005; McDowell 1982, 1994, 2006). Meist auf Wahrnehmung bezogen, läuft der Disjunktivismus auf die Verneinung der Vorstellung hinaus, Illusion und Wahrnehmung seien verschiedene Arten der gemeinsamen Gattung Erscheinung (Snowdon 2005, 136). Statt also eine Wahrnehmung als Erscheinung plus X zu verstehen, insistiert der Disjunktivismus darauf, daß Wahrnehmung und Illusion disjunkt sind.

Der Disjunktivismus aber produziert Unverständnis, wo er lächelnd zur Attraktivität konjunktivistischer Ansätze schweigt, die eben in der Wissenschaft volle Berechtigung haben. Es ist, als wolle der Disjunktivismus die Möglichkeit gar nicht erst aufkommen lassen, daß sich die begriffliche Sphäre, deren Eigenständigkeit durch ihn verteidigt wird, selbst wieder Gegenstand forschender Bemühungen werde könnte: etwa in dem Sinne, daß das Besondere des Begriffs als Handlungsermöglichung gedeutet wird und somit die Prägnanz des “ich weiß”, die sich Hyman vom Begriff der Fakten borgt, ein Effekt (zu erläuternder) praktischer Bedingungen wäre. Stanley geht einen Schritt in diese Richtung, wenn er sagt “knowing is an interest-relative relation” (2005, 179). Die besondere Prägnanz wird durch diese vorsichtige Ankoppelung des Wissens an die Interessen der Akteure noch nicht verständlich gemacht.

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