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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Michael Anacker (Bochum) - Curriculum Vitae
„The conduct of Life“ – Die Rolle der Lebenswelt für eine Erneuerung wissenschaftstheoretischen Fragens

Abstract

Die Analyse des Spannungsverhältnisses von Theorie und Empirie wird in der wissenschaftstheoretischen Diskussion seit jeher überschattet von Schlagwörtern wie „empirische Unterbestimmtheit von Theorien“, „Theoriegeladenheit von Beobachtung“, „Inkommensurabilität von Begriffsschemata“ u. ä. Die Verwendung oder Zurückweisung dieser Schlagwörter dient hierbei eher einer Positionierung in der wissenschaftstheoretischen Landschaft, als dass sie es ermöglichte, aus ihnen Thesen zu entwickeln, mit deren Hilfe wirksame heuristische und analytische Werkzeuge bereitgestellt werden könnten, die das Zusammenspiel von Empirie und Theorie in der konkreten wissenschaftlichen Entwicklung philosophisch angemessen reflektierten.

Eine Relativierung der o. g. Schlagwörter oder Thesen auf die vorfindlichen lebensweltlichen Bedingungen, vor deren Hintergrund wissenschaftliche Theorien und Hypothesen sich entwickelt haben, kann dieses Defizit überwinden und zugleich eine fruchtbare Neubestimmung dieser zentralen wissenschaftstheoretischen Thesen vornehmen.

Im Vortrag soll zunächst gezeigt werden, aus welchen Gründen die Unterbestimmtheitsthese zum einen wissenschaftstheoretisch nach wie vor attraktiv ist, zum anderen aber in ihren klassischen Formulierungen – wie sie etwa bei Quine zu finden sind – die konkrete wissenschaftstheoretische Arbeit nicht bereichern, entweder in Aporien führen oder bei weitgefassten Interpretationen so viel Spielraum offen lassen, dass sie zu einem irrelevanten Gemeinplatz verkommen und aus diesen Gründen eher wie ein verzichtbares, erkenntnistheoretisch motiviertes Anhängsel anmuten.

Das wichtigste Argument dieser Diagnose besteht darin, dass von Duhem bis Quine die Unterbestimmtheitsthese formal-methodologisch als logische Konsequenz eines bestimmten Typs mathematisch formalisierter Theorien mit experimental-technischen Implikationen entwickelt worden ist. Obwohl hier – insbesondere bei Duhem – Faktoren der Wissenschaftspragmatik in der Orientierung an der Rolle der Theorien, die hinter den für Experimente und Beobachtungen eingesetzten Geräten stehen, eine Rolle spielen, wird ihr Beitrag zu einer Objektivation wissenschaftlicher Erkenntnis – im Sinne einer Öffnung des Wissenschaftshandelns in einen öffentlich verortbaren Gegenstandsraum – zu Gunsten des primär konstruktiven und damit formalen Charakters des Technik-Einsatzes vernachlässigt. Unterbestimmtheit wird so zu einer logischen Konsequenz, die notwendig aus der Struktur modernen wissenschaftlichen Weltumgangs folgt. Dieses apriorische Verständnis von Unterbestimmtheit verunmöglicht es aber zugleich, das zunächst formal konstatierte Phänomen auch empirisch und damit bezogen auf die konkrete wissenschaftliche Entwicklung einzulösen.

In einem zweiten Schritt wird im Anschluss an neuere wissenschaftstheoretische Untersuchungen (z. B. bei Kyle P. Stanford) darauf verwiesen, dass eben diese empirische Erfassung möglich ist, wenn auf eine rein formale Bestimmung der Unterbestimmtheit verzichtet und Unterbestimmtheit vielmehr als ein Phänomen in historisch klar konturierbaren Kontexten aufgefasst wird; also als temporäre und kontextuelle Unterbestimmtheit angesprochen wird. Auf diesem Wege lässt sich der dichotomische Charakter von theoretischem Schema und empirischen Gehalt aufbrechen und deren dynamische Beziehung genauer kennzeichnen, da die Objektivationsleistungen von Wissenschaftshandlungen und ihr Beitrag zur weiteren wissenschaftlichen Entwicklung ins Zentrum der Betrachtung rücken.

Abschließend wird darauf verwiesen, dass eine solche Veränderung der wissenschaftstheoretischen Fragestellungen nicht nur eine Neubewertung der in Frage stehenden Thesen bedingt, sondern auch ein neues Licht auf den empiristischen Verifikationismus wirft, das sich wesentlich von dessen Funktion als Sinnkriterium im logischen Empirismus unterscheidet, weil es den handlungs- und damit auch immer kontextbezogenen Charakter von Erkenntnis nicht als Einschränkung, sondern als Ausweitung und Chance erscheinen lässt: das klassisch pragmatistische Konzept von Verifikation versteht „verification“ nicht als Abgrenzung von Wissenschaft zu anderen lebensweltlichen Aspekten, sondern gerade als ihren Bezug zu diesen, denn der Verifikationismus ist „the theory that a conception, that is, the rational purport of a word or other expression, lies exclusively in its conceivable bearing upon the conduct of life“ (Peirce 5.412).

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Curriculum Vitae von Dr. Michael Anacker

Studium:
  • Bis 1999: Philosophie, Anglistik, Geschichte (Ruhr-Universität Bochum). Abschluss: MA
Promotion:
  • 2003: Interpretationale Erkenntnistheorie. Eine kritische Untersuchung im Ausgang von Quine und Davidson (Ruhr-Universität Bochum)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Ruhr-Universität Bochum
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Erkenntnistheorie
  • Wissenschaftstheorie
  • Sprachphilosophie
Berufliche Stationen:
  • 2003: wiss. Mitarbeiter
Wichtigste Publikation(en):
  • Interpretationale Erkenntnistheorie. Eine kritische Untersuchung im Ausgang von Quine und Davidson, Mentis: Paderborn 2005.
  • "Wissen VI". In: Historisches Wörterbuch der Philosophie (HWP), Bd. 12 hg. v. Joachim Ritter †, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel, Schwabe: Basel 2004, Sp. 891-900.
  • "Der Begriff des Wissens und das Erkenntnisproblem in der philosophischen Tradition". In: Rainer Schützeichel (Hrsg.): Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung. UVK: Konstanz 2007, S. 353-374.
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