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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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Sektionsredner

Suzana Alpsancar, M.A. (Darmstadt) - Curriculum Vitae
Karten, Vertrauen und der Nullpunkt. Philosophie der technischen Bewegungsassistenten

Abstract

Die digitale Technologie hat eine Reihe von neueren Produkten ermöglicht, deren theoretische Einholbarkeit noch von starken Unsicherheiten durchlaufen ist. Zwei Verfahren bieten sich an: Vergleich mit bekannten Technikhandeln oder eine phänomenologische Aussagenfindung. Der Vortrag kreuzt beide Herangehensweisen, um die zivile Nutzung von GPS-Navigationssystemen zu beschreiben.

Aus der Sicht des Nutzers funktioniert das Navigationssystem zunächst nach dem Muster des kartenlesenden Beifahrers; es kommuniziert mit ihm über den Wegverlauf. Dabei ist es im Vergleich zu einer Person eigenwillig stur, bei Rückfragen weniger flexibel, und transportiert stimmlich eine andere Atmosphäre. Der Zweck des Systems ist es, den Fahrer zuverlässig an sein Ziel zu bringen. Es entlastet ihn somit von einer spezifischen Sorge (sich um den Weg zu kümmern) und führt im Gegenzug andere Sorgen ein, beispielsweise dass man die Aktualität des Programms oder die schiere Zuhandenheit von Technik sicherstellen muss. Die Technik setzt bei einem routinierten Typ von Welthandeln an (Kartenlesen, Zielerreichen) und knüpft an den Habitus zwischenmensch-licher Interaktion an. Das GPS-System substituiert somit mindest zwei lebensweltliche Bezüge und bringt dabei eine Eigenwilligkeit ins Spiel.

Die GPS-Karten sind im Gegensatz zu herkömmlichen Papier-Karten dynamisch. Nicht der Blick des Kartenlesers erzeugt einen Wegverlauf, sondern das Display erzeugt selbst den Eindruck ei-ner Bewegung durch einen Kartenraum. Es existiert kein bildlicher Kartenraum abseits des jeweils aktuellen Kartenbildes auf dem Displays und dennoch teilt das Display mehr mit, als tatsächlich auf ihm zu sehen ist. Es ist ebenfalls keine Sichtbarmachung von Verborgenem; die GPS-Karten visualisieren nichts, was ohne sie zwar existent aber nicht erfahrbar wäre. Sie sind ebensowenig irgendeine Art von Abbild des materiellen Straßenverlaufs (wenn überhaupt dann des kartenlesen-den Beifahrers). Sie sind ebensowenig Vergegenwärtigungen eines Abwesenden. Sie bringen vielmehr eine Art Doppelung des Präsenten hervor (etwas Zusätzliches), das den materiellen Straßenverlauf und das Bewegen des Nutzers in der Lebenswelt überformt. Ein bestimmter Typ von Information berichtet den Benutzer in Echtzeit über seine eigene Bewegung – und das nicht als „Standbild“ – sondern immer in Richtung naher Zukunft, dem ‚Gleich’, so dass das Abfahren der materiellen Straßen fast zu einem Nachfahren des Kartenmodells wird.

Die GPS- Karten unterscheiden sich darüber hinaus – und das macht sie philosophisch interessant – von digitalen Karten im Internet (google maps, map24 etc.). Der sonderlicher Clou von Karten und Stimme ist, dass sie in ihrer Dynamik permanent vom Nullpunkt der Fahrerbewegung ausge-hen. Die Stimme spricht aus der Sprechposition des Fahrers (an Stelle des Beifahrers), die Karten produzieren sich in ihrer Räumlichkeit von der übertragenden Bodenposition des Fahrzeugs aus (an Stelle des Blicks, der die eigene Position auf der Karte verortet). Die GPS-Navigation ist eine Art exterritoriales Selbst-Monitoring des eigenen aktuellen Bewegungsverlaufes.

Mindestens zwei geläufige techniktheoretische Figuren finden sich hier wieder: Technik als Substitution und Technikvertrauen. Der Benutzer vertraut auf die Funktionalität und Zuverlässigkeit der Technologie, die nicht an sein eigenes Verständnisvermögen gekoppelt ist, sondern an die prinzipielle Einholbarkeit der technischen Abläufe in Erklärungen, wie es Max Weber beschrieb. Derzeitige Techniktheorien, die sich mit jüngeren Formen von Digitalität auseinandersetzen, schreiben den Technologien eine radikalere oder andersartige Form von ‚Unspürbarkeit’ zu, die dazu führen soll, dass Technikhandeln eben nicht mehr nach Webers Modell der prinzipiellen Einholbarkeit funktioniert. Technik zeichne sich durch ihre Unbestimmtheit aus, Smart environments durch ihre Nichterfahrbarkeit, in UbiComp-Systemen verliere Technik ihre Medialität, ihre Spur, was ein größeres Maß und eine andere Qualität von Ungewissheit mit sich bringe. Solche ex-negativo Beschreibungen sind in ihren Aussagemöglichkeiten prinzipiell begrenzt, bringen aber erst einmal eine Andersheit zur Sprache. Eine solcherart deklarierte Verlusterfahrung lässt sich in dem Technikhandeln mit GPS-Navigationssystem jedoch nicht wiederfinden.

Das Spezifische dieses Technikhandelns muss erst herausgearbeitet werden. Orientierungspunkte hierfür sind: der eigenwillige Typ von dynamischer Karte, die Doppelung des Präsenten durch die Dateninformation, die zwischen Modellierung des realen Straßenverlaufs und Vorwegnahme der Bewegung steht, ein bestimmter Typ von Blick, dem Selbst-Monitoring, und besonders die spezifi-sche Kopplung der digitalen Raumproduktion (GPS-Karte) an den Nullpunkt des/der Benutzer; wobei das ganze Mensch-Technik-System permanent in Bewegung ist.

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Curriculum Vitae von Suzana Alpsancar, M.A.

Studium:
  • Bis 2006: Philosophie, Germanistische Sprachwissenschaft, Neuere und Neueste Geschichte, Informatik (TU Chemnitz, Universidad de Alicante). Abschluss: Magister
Promotion:
  • Computing-Räume. Von der Kiste zum intelligenten Hintergrund (TU Darmstadt)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • TU Darmstadt
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Digitalität, Computing-Räume, UbiComp
  • Medientheorie, Raumtheorie, Techniktheorie
  • Phänomenologie
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