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Professor Dr. Dr. h.c. C.F. Gethmann

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FAQ

Sektionsredner

Dr. Michael Nagenborg (Tübingen) - Curriculum Vitae
Digitale Sphären der Gerechtigkeit

Abstract

In meinem Buch über Privatheit (2005) hatte ich vorgeschlagen, die Grenzziehung zwischen der privaten und der öffentlichen Sphäre als einen interaktiven Vorgang aufzufassen. Dies ist m. E. auch der Grund, warum Privatheit als ein Gegenstand der Ethik betrachtet werden kann, da die Aufrechterhaltung der Schutzzone des Privaten ein Handeln erfordert, das von Normen geleitet ist.

Die Notwendigkeit der Begründung des Anspruchs auf Privatheit hat in der Gegenwart zugenommen. Hierfür sind zumindest zwei Gründe zu nennen: Erstens haben Umgangsformen an Bedeutung verloren, die früher dazu beigetragen haben, erfolgreich den Anspruch auf Privatheit zu erheben. Zweitens konnten wir in der Vergangenheit durch unser Verhalten Dritten signalisieren, dass sie Abstand halten sollen. Wenn wir mittels Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) handeln, so wissen wir oftmals nicht, wie wir signalisieren sollen, dass dies nun eine private Handlung ist, bzw. wie wir Abstand wahren sollen (vgl. Philipps 2003, 2006).

Deshalb wird es auch zunehmend zu einem Problem, dass wir nicht von einer einheitlichen Auffassung von Privatheit innerhalb einer Gemeinschaft ausgehen können (von interkulturellen Unterschieden ganz zu schweigen). Eine mögliche Lösung des Problems besteht darin, das Private zur Privatsache zu erklären und mittels technischer Mittel jeden selbst entscheiden zu lassen, welche Informationen er in welchem Zusammenhang wem gegenüber preisgibt. Kuhlen (1999) hat dies als „interaktive Auffassung“ des Privaten bezeichnet. Als prominenter Vertreter wäre hier z. B. Lessig (2002) zu nennen.

Wenn ich im Folgenden für eine interaktive, aber nicht-relativistische Auffassung des Privaten plädiere so deshalb, weil ich Privatheit als ein soziales Gut betrachte. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass wir unseren Anspruch auf Privatheit gegenüber anderen begründen müssen (und wir sollten gute Gründe nennen können), zum anderen daraus, dass eine Bestimmung des Privaten immer auch zugleich die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen festlegt. Und was als öffentlich zu gelten hat, ist m. E. etwas, was alle Mitglieder einer Gemeinschaft betrifft.

Von Seiten der empirischen Forschung, aber auch aufgrund unserer Alltagserfahrung lässt sich natürlich die Frage aufwerfen, ob es überhaupt die Dichotomie von Privat und Öffentlichkeit gibt. Ist es nicht vielmehr so, dass wir in verschiedenen Kontexten von verschiedenen Privatheitskonzepten ausgehen müssen und die Grenze zwischen dem Privaten und Öffentlichen fließend ist?

Obwohl ich aus der Perspektive der Philosophie davon überzeugt bin, dass es innerhalb der verschiedenen, kontextabhängigen Auffassungen von Privatheit einen Kernbereich des Privaten gibt, stellt sich für den Entwurf und die Bewertung von IuK-Technologien dennoch die Frage, wie wir der Tatsache gerecht werden können, dass wir mit dem Anspruch auf Privatheit in verschiedenen Kontexten verschiedene Erwartungshaltungen verbinden.

Van den Hoven (1999) hatte diesbezüglich z. B. vorgeschlagen, Privatheit unter dem Aspekt der „informational injustice“ zu analysieren, wobei er an Walzers „Spheres of Justice“ (1983) anknüpft. Die Idee, zwischen verschiedenen Sphären innerhalb der Gesellschaft zu unterscheiden, wurde u. a. von Nissenbaum (2004) aufgegriffen, die in ihrem Vorschlag zu „privacy as contextual integrity“ direkt Bezug auf Van den Hoven und Walzer nimmt.

Wenn ich in meinem Beitrag vor allem auf die theoretischen Probleme hinweise, welche eine solche Sphärenauffassung mit sich bringt, so deswegen, weil ich glaube, dass sie sich in der Praxis als überaus relevant erweisen könnte. Als Kernprobleme möchte dabei die Fragen nach der Anzahl der Sphären und die Frage nach "Informationen", "Privatheit" und "Sicherheit" als soziale Güter im Rahmen der Theorie Walzers herausarbeiten.

Literatur (Auswahl)

Kuhlen, R. (1999): Kuhlen, Rainer: Die Konsequenzen von Informationsassistenten. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Lessig, L. (2002): Privacy as Property. Social Research, Vol. 69, Nr. 1 (Frühjahr 2002), S. 247-269.

Nagenborg, M. (2005): Privatheit unter den Rahmenbedingungen der IuK-Technologie. Wiesbaden: VS Verlag.

Nissenbaum, H. (2004): Privacy as Contextual Integrity. In: Washington Law Review, Vol. 79 (2004), S. 119-158.

Philipps, D. J. (2004): Privacy Policy and PETs. In: New Media and Society, 2005, Vol. 6, No. 6, 691–706.

Philipps, D. J. (2005): From Privacy to Visibility. Social Text 83, Vol. 2, 95–108.

Van den Hoven, M. J. (1999): Privacy or Informational Injustice? In: Pourcia, L. J. (ed.): Ethics and Information in the Twenty-First Century. West Lafayette, Indiana: Purdue University Press, pp. 140–150.

Walzer, M. (1998): Sphären der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main: Fischer TB 1998.

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Curriculum Vitae von Dr. Michael Nagenborg

Studium:
  • Bis 1997: Philosophie, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte (Universität Karlsruhe). Abschluss: Magister
Promotion:
  • 2004: Privatheit unter den Rahmenbedingungen der IuK-Technologien (Universität Karlsruhe)
Derzeitige Universität oder Institution:
  • Universität Tübingen
Forschungsschwerpunkt(e):
  • Angewandte Ethik, insbesondere Informations- und Medienethik
  • Medientheorie/-geschichte
  • Kulturphilosophie
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